«Um Himmels Willen!» Antonio ist schockiert. Und peinlich berührt. Auf Instagram entdeckt er ein Foto von sich, wie er verzweifelt versucht, in die – zu eng gewordene – Hose seines Hochzeitsanzugs zu passen: der Oberkörper nackt, die Boxershorts gut sichtbar. Gepostet hat das unvorteilhafte Foto seine kleine Tochter Emma. Wie kommt sie nur auf die Idee, ihn so blosszustellen?
Die Antwort ist wahrscheinlich ganz einfach: Emma fand den Moment lustig, wollte ihn festhalten und andere daran teilhaben lassen. Was liegt da näher, als ein soziales Netzwerk dafür zu nutzen? Schliesslich sind Instagram, WhatsApp und Co. doch genau dafür da: Um Erlebnisse mit Freunden und Bekannten zu teilen.
Antonio mag schockiert sein über das gedankenlose Verhalten seiner Tochter. Aber wie sieht es umgekehrt aus? Handeln wir als Erwachsene nicht manchmal genauso? Indem wir nicht gross darüber nachdenken, wenn wir ein Foto von unseren Kindern posten? Wir wollen möglichst viele kostbare Momente festhalten, weil die Zeit ohnehin viel zu schnell vergeht und die Kleinen im Nu erwachsen sind. Wir fotografieren sie nach der Geburt, beim Planschen, mit kuchenverschmiertem Gesicht beim Kindergeburtstag. Wir freuen uns über jeden ihrer Entwicklungsschritte, sind stolz und wollen dies auch mit anderen teilen. Das ist weder verwerflich noch falsch.
Im Blick behalten müssen wir aber immer auch die Persönlichkeitsrechte unserer Kinder. Und dazu gehört das Recht am eigenen Bild.
Die Kinderanwältin Rita Jedelhauser gibt zu bedenken, dass dieses Recht in unserer mediatisierten Gesellschaft oft vergessen geht: „Das Recht am eigenen Bild ist ein höchstpersönliches Recht, das jedem*r unabhängig vom Alter zusteht. Solange ein Kind nicht selber entscheiden kann, handeln die Eltern als Stellvertretende. Das heisst aber eben auch: Sie entscheiden im Interesse des Kindes. Man muss sich also fragen: Würde mein Kind wirklich wollen, dass das Foto veröffentlicht wird?“