Fröhliche Jugendliche, welche das Handy im Unterricht benützen.

Wenn Jugendliche von Jugendlichen lernen

Kinder und Jugendliche erlernen Medienkompetenzen meist auf informelle Weise, zum Beispiel in der Familie, über Freunde oder bei einer Freizeitbeschäftigung. Mit zunehmendem Alter der Jugendlichen findet der Austausch immer mehr unter Gleichaltrigen statt, der sogenannten Peer-Group. Peer-Education und Peer-Tutoring, zwei informelle Methoden zum Informations- und Erfahrungsaustausch unter Jugendlichen, sind somit ein vielversprechender Ansatz im Bereich der digitalen Medien. Jedoch sind diese Methoden sehr anspruchsvoll und erfordern Reflexion und Investition, damit sie zielführend sind. Sowohl von Seiten der Jugendlichen als auch der Erwachsenen.

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Gut zu wissen

Jugendliche tauschen sich häufiger mit ihren Freunden als mit Erwachsenen über ihre Erfahrungen mit digitalen Medien aus. Doch wie kann man sicherstellen, dass sich Jugendliche Wissen und Kompetenzen tatsächlich aneignen? Eine Antwort darauf ist das sogenannte Peer-Involvement, das Peer-Education und Peer-Tutoring in einem Konzept vereint.

Der englische Begriff «Peer» bezeichnet Gleichaltrige oder Gleichrangige (mit gleichem Schulniveau). Beim Peer-Involvement informieren speziell geschulte Jugendliche, die selbst der Zielgruppe angehören, ihre Kameradinnen und Kameraden über spezifische Themen und regen zu Diskussionen über die eigenen Haltungen und Verhaltensweisen an. Das gleiche Alter in der Gruppe ermöglicht eine offene Auseinandersetzung mit heiklen Themen wie Sucht oder Sexualität.

Peer-Education findet in der Regel in einem informellen Rahmen statt, genau so wie die offenere Jugendarbeit. Zwar werden die Peer-Educators auf ihre Rolle vorbereitet und von Erwachsenen begleitet, aber der Informations- und Erfahrungsaustausch wird frei gestaltet.

Beim Peer-Tutoring sind die Rollen zwischen den Unterrichtenden (Peer-Tutors) und den Unterrichteten (Peers) streng getrennt und die Inhalte klar definiert. Dieser hierarchischere Ansatz ist somit für formale Settings, wie die Schule, besser geeignet.

Peer-Involvement beinhaltet noch zwei weitere Ansätze, die sich sowohl für informelle als auch für formelle Settings eignen.

  • Im Peer-Counseling treten Jugendliche als Ansprechpartner bei Problemen auf, zum Beispiel bei Cybermobbing.
  • Oder sie bringen sich im Rahmen der Peer-Mediation als Vermittler bei der Lösung von Problemen ein.

Peer-Tutoring und Peer-Education verfolgen zwei Hauptziele:

  • Jugendliche sollen sich Wissen und Kompetenzen aneignen, aber auch ihre Vorurteile bezüglich bestimmter Themen hinterfragen und aufgrund dessen möglicherweise ihr Verhalten ändern.
  • Die Persönlichkeitsentwicklung der Jugendlichen soll gefördert und ihr Selbstbewusstsein gestärkt werden.
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Herausforderungen des Peer-Involvements

Die Entwicklung eines Peer-Education- oder Peer-Tutoring-Projekts ist wie ein Balanceakt: Es muss ein ausgewogenes Verhältnis zwischen der Begleitung durch Peer- Educators/Peer-Tutors (mit Intervention und Fachwissen von Erwachsenen) und dem Handlungsspielraum für Jugendliche gefunden werden. Denn je mehr die Jugendlichen ihre Vorstellungen und Erfahrungen in das Projekt einbringen können, umso mehr interessieren sie sich für dessen Umsetzung und sind vom Nutzen überzeugt.

Qualitätsmerkmale für ein Peer-Involvement-Projekt und die Entwicklung von Medienkompetenzen → Broschüre «Medienkompetenzen und Peer-Education/-Tutoring: praktische Beispiele und Qualitätskriterien» (S. 32-33)

 

  • Jugendliche Peer-Educators und Peer-Tutoren in die Entscheide einbeziehen: Ab der Konzeptphase muss die Peer-Education oder das Peer-Tutoring gemeinsam definiert werden und es braucht eine genaue Klärung des Grads an Autonomie und Beteiligung jedes/r Einzelnen.
  • Alle am Projekt Beteiligten sollen sich «auf Augenhöhe» begegnen: Aufbau eines kommunikativen Rahmens, innerhalb dessen alle Beteiligten ihre Ideen und Standpunkte einbringen können (Erwachsene, Peer-Educator, Peer-Tutor, Peers).
  • Etablierte Rollen verändern: Ziel ist eine ergebnisoffene und reflektierende Diskussion insbesondere zwischen Jugendlichen.Dass keine Erwachsenen anwesend sind, kann sich positiv auf den Austausch unter Jugendlichen auswirken.
  • Jugendliche von einer aktiven Beteiligung überzeugen: Das setzt Professionalität und Sensibilität voraus.
  • Jugendliche, die sich überfordert fühlen, unterstützen: Aber ohne sie zu bevormunden.
  • Motivation und offene Diskussionskultur fördern: Dabei auch Platz für «falsche» Beiträge zulassen und Inputs als Gesprächsimpulse einbringen und nicht als letztgültiges Faktum oder in suggestiver Frageform.
  • ...um die Peer-Educators und Peer-Tutors ausreichend vorzubereiten und für ihre Aufgabe zu schulen und ihnen das nötige methodische und fachliche Rüstzeug mitzugeben. Je nach Bedarf Fachpersonen aus dem Bereich Medienbildung oder -pädagogik hinzuziehen;
  • ...damit die Peer-Educators und Peer-Tutors die Inhalte, die sie mit den Peers behandeln wollen, auswählen und sich damit vertraut machen können;
  • ...um das Projekt kontextorientiert zu gestalten: offene Jugendarbeit oder Schule? Zielgruppen? Lokal oder überregional? All diese Punkte haben Auswirkungen auf die Projektumsetzung.

Sich in den Diskussionen über digitale Medien auf die Risiken zu beschränken und Anweisungen zu geben («Du sollst ...», «Du sollst nicht ...»), kommt bei Jugendlichen in der Regel nicht gut an. Chancen und Vorteile der digitalen Medien hervorzuheben, regt Jugendliche hingegen dazu an, sich zu interessieren und sich schlau zu machen.

Positive Aspekte der digitalen Medien im Kurzüberblick:

  • Sie schaffen für die Jugendlichen Privaträume abseits von der Erwachsenenwelt, in denen sie eigene Regeln definieren können.
  • Sie ermöglichen es, zahlreiche Kontakte zu knüpfen und Einblicke in ganz andere Welten zu erhalten.
  • Sie bieten Raum für Innovation und Kreativität; die Jugendlichen können technische, kulturelle, soziale und reflexive Kompetenzen entwickeln.
  • Sie fördern die Zusammenarbeit und den Meinungsaustausch.
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Sieben Peer-Involvement-Projekte

Die nationale Plattform Jugend und Medien hat zwischen 2011 und 2014 sieben Peer-Education- und Peer-Tutoring-Projekte in der Deutschschweiz, der Romandie und im Tessin unterstützt. Hauptziel der Projekte war die Förderung der Medienkompetenzen bei 12- bis 18-Jährigen, in der Schule oder in der offenen Jugendarbeit.

Die Strategien und Ansätze waren dabei sehr unterschiedlich, ebenso die konkreten Projekte: Kurzgeschichten, die als

Video oder Audiodatei über Diskussionsplattformen oder Blogs verbreitet werden, Webradio, durch Jugendliche entwickelte Theaterstücke und Diskussionsrunden zu Computergames.

Detaillierte Informationen zu diesen Projekten finden sich in der Broschüre Medienkompetenzen und Peer-Education/-Tutoring.

Jugendliche des Berufsintegrationssemesters führen als Peer-Tutors in Schulklassen selbstständig eine zweieinhalbstündige Veranstaltung zum Thema Prävention durch.

Factsheet | Webseite InTeam

  • Projektträgerschaft
    Verein InTeam, Basel (Projektträger) | Frank Egle, Medienpädagoge
  • Zielgruppen
    Peer-Tutors: stellenlose Jugendliche (16-23 Jahre)
    Peers: Schulklassen (Jugendliche ab 13 Jahren)
  • Gewonnene Erkenntnisse
    InTeam ist als Institution und Programm bereits seit Jahren gut etabliert, was stabile und zeitlich grosszügige Rahmenbedingungen für das Präventionsprojekt ermöglichte. Da die stellenlosen Jugendlichen mehrere Monate bei InTeam verbringen, können sie sich intensiv mit den Thematiken auseinandersetzen und haben vergleichsweise viel Zeit, um die Veranstaltungen zu entwickeln. Auch eine enge Begleitung während der gesamten Zeit ist vorhanden. Im Ergebnis entwickeln die Peer-Tutors viele neue Kompetenzen und erleben ihre Aufgabe als sinnhaft. Die Peers schätzen die jugendgerechten und abwechslungsreichen Veranstaltungen. Konzeptuell betrachtet ist festzuhalten, dass die Peer-Tutors nur halbfreiwillig und die Peers nicht freiwillig am Projekt teilnehmen.

Jugendliche thematisieren in einem öffentlich aufgeführten Theaterstück den eigenen Medienumgang. Im Anschluss an die Theateraufführungen findet eine Diskussionsrunde unter der Leitung einer Fachperson statt.

Factsheet 

  • Projektträgerschaft
    Stiftung aebihus, Bern (Projektträger) | TOJ Jugendarbeit Bern West | Jugendarbeit JANO Graffiti Bern
  • Zielgruppen
    Peer-Educators: sechs bis zwölf Jugendliche (12-18 Jahre) pro Theatergruppe
    Peers: v.a. Freunde und Bekannte, zusätzlich ein breites Publikum (Familie)
  • Gewonnene Erkenntnisse
    Durch die Kombination von Theater und Diskussion erhalten die Jugendlichen die Chance, sich sowohl spielerisch als auch kritisch vertiefend mit digitalen Medien auseinanderzusetzen. Als wichtig erwiesen sich eine gute Vernetzung und eine lokale Einbettung: Sie sind zentral bei der Suche nach Peer-Educators, bei der Bewerbung der Theateraufführung und nicht zuletzt für Möglichkeiten der Nachbereitung und Vertiefung für die Peers.

Jugendliche berichten an Midnight-Sports-Anlässen über zentrale Erlebnisse mit digitalen Medien. Die Kurzbeiträge werden anschliessend auf einer Online-Plattform veröffentlicht und können von anderen Jugendlichen kommentiert werden.

Factsheet | Videos anschauen

  • Projektträgerschaft
    RADIX Schweizerische Gesundheitsstiftung, Zürich | Stiftung Idée:sport, Uster | Pädagogische Hochschule Schwyz
  • Zielgruppen
    Peer-Educators: Teilnehmende von Midnight Sports (14-18 Jahre)
    Peers: Besuchende der virtuellen Plattformen (12-17 Jahre)
  • Gewonnene Erkenntnisse
    Als positiver Faktor erwies sich die gute institutionelle Abstützung des Projekts. Die Jugendlichen haben in den Fallgeschichten die Möglichkeit, ihre eigenen Erfahrungen mit digitalen Medien zu teilen. Das Lernen über Videos eignet sich v.a. auch für Heranwachsende, die durch schriftliche Angebote schlecht zu erreichen sind. Zu bedenken ist, dass Videoproduktionen sowohl personell wie auch zeitlich, aber v.a. technisch aufwendig sind. Ausserdem können die in den Videos mitgeteilten Informationen einseitig und fehlerhaft sein, weil sie auf der Erfahrung einer einzelnen Person beruhen. Es stellte sich ausserdem als schwierig heraus, eine Online-Diskussion auf einer von Jugendlichen wenig genutzten Plattform anzuregen.

Jugendliche konzipieren und produzieren während einer Woche täglich ein Radioprogramm für einen Internetradiosender. Schwerpunktthema ist der Umgang mit digitalen Medien.

  • Projektträgerschaft
    Service Culture-Jeunesse-Sport, Renens (Projektträger) | Azimut Prod / Internet, Radio, Consulting | Verein Deci-bel
  • Zielgruppen
    Peer-Educators: Radiomacher und -macherinnen (18-25 Jahre)
    Peers: Zuhörer und Zuhörerinnen (18-25 Jahre)
  • Gewonnene Erkenntnisse
    Durch das gemeinsame Produzieren von Radiosendungen können die Jugendlichen unterschiedliche Medienkompetenzen entwickeln und ihre Erfahrungen unmittelbar mit anderen teilen. Radiosendungen zu produzieren macht Jugendlichen grossen Spass. Allerdings nutzen nur wenige Jugendliche das Medium Online-Radio: Die Radiosendungen wurden deswegen wenig heruntergeladen, auch die Diskussionsrunden stiessen auf eher wenig Interesse. Zu bedenken ist, dass eine Radiowoche klar strukturiert werden muss, was die Autonomie und Flexibilität der Jugendlichen einschränkt.

Während eines Jahres nehmen Jugendliche an Spielrunden teil und diskutieren anschliessend über das Videogame und über die Folgen des Spielverhaltens.

Factsheet | carrefouraddictions.ch (Französisch)

  • Projektträgerschaft
    Verein Rien ne va plus, Genf (Projektträger) | Maison de quartier des Acacias, Genf | Infor Jeune (EPIC), Genf | Groupement Romand d'Etudes des Addictions (GREA), Lausanne | Département des affaires régionales, de l'économie et de la santé, Genf
  • Zielgruppen
    Peer-Educators: Jugendliche, die regelmässig gamen (14-18 Jahre)
    Peers: jüngere Jugendliche mit Interesse an Computerspielen 
  • Gewonnene Erkenntnisse
    Die beteiligten Jugendlichen haben grossen Spass daran, aktuelle Videospiele gemeinsam zu spielen. Die Wahl eines aktuellen, von Jugendlichen intensiv genutzten Mediums motiviert die Jugendlichen, sich generell mit Videospielen auseinanderzusetzen. Die Kombination zwischen Videospiel (Spassfaktor) und Diskussion (kritisches Hinterfragen) erweist sich als positiver Faktor bei der Förderung insbesondere reflexiver Medienkompetenzen. Nachteilig für die Herstellung von Peerness (Gleichrangigkeit) war, dass die Peer-Educators z.T. deutlich älter als die Peers sind. Die Peers interpretieren die Diskussionsrunden deshalb oftmals nicht als offenen Austausch.

13- bis 17-jährige Jugendliche gestalten während des Schulunterrichts Videos, Audiobeiträge und Comics zu Erfahrungen mit digitalen Medien. Die Beiträge der Jugendlichen werden auf der Präventionswebsite ciao.ch publiziert und können kommentiert werden.

Factsheet | Webseite CIAO (Französisch)

  • Projektträgerschaft
    Verein CIAO, Lausanne (Träger) | Haute école pédagogique Vaud, Lausanne | Université de Lausanne | Conférence intercantonale d'instruction publique de la Suisse romande et du Tessin (CIIP), Neuenburg
  • Zielgruppen
    Peer-Educators: Schulklassen (13-17 Jahre)
    Peers: User/-innen der Website von CIAO
  • Gewonnene Erkenntnisse
    Positiv hervorzuheben ist, dass die Jugendlichen gemeinsam über Formen und Inhalte entscheiden und sich gegenseitig in technischen Belangen unterstützen. Die Erarbeitung von Medieninhalten wirkt motivierend auf die beteiligten Jugendlichen. Allerdings zeige sich, dass ein direktiver Tonfall von Inhalten («Du sollst, ...», «Du darfst nicht ...») kaum zu Diskussionen auf einer Online-Plattform anregt, besser geeignet sind offen formulierte Fragen oder Situationsbeschreibungen.

Schülerinnen und Schüler diskutieren im Unterricht über die Rolle der digitalen Medien und damit verbundene Möglichkeiten und Risiken.

Factsheet | Projektwebseite

  • Projektträgerschaft
    Scuola universitaria professionale della Svizzera italiana SUPSI, Dipartimento economia aziendale, sanità e sociale DEASS, Manno (Projektträger) | Scuola d'Arti e Mestieri SAMT, Canobbio
  • Zielgruppen
    Peer-Educators: Studierende der Berufsmaturitätsschule
    Peers: Schülerinnen und Schüler verschiedener Schulen und Schultypen (15-19 Jahre)
  • Gewonnene Erkenntnisse
    Die Lehrpersonen spielen insbesondere bei der Schulung der Peer-Educators eine Rolle. Ansonsten halten sie sich aber für möglichst horizontale Peer-to-Peer-Beziehungen zurück und sind z.B. bei den von den Peer-Juniors geleiteten Diskussionen im Klassenzimmer nicht anwesend. Das wird von den Peer-Educators sehr geschätzt. Deutlich wurde, dass das ergebnisoffene Vorgehen von Peer-Education nicht einfach so in die schulische Logik der zielorientierten Wissensvermittlung passt. Peer-Education in Schulen zu etablieren, bedingt deshalb eine Veränderung der Schulkultur.

Wissenschaftliche Evaluation

Jedes Projekt wurde während der Umsetzung wissenschaftlich begleitet. Die Plattform Jugend und Medien hat ein Team der Hochschule für Soziale Arbeit der Fachhochschule Nordwestschweiz (FHNW) mit der Begleitung und Analyse der ausgewählten Modellprojekte Peer-Education/Peer-Tutoring beauftragt.

Das Forschungsteam hatte den Auftrag, die Erfolgsfaktoren und Schwierigkeiten im Zusammenhang mit der Umsetzung solcher Projekte im schweizerischen Kontext aufzuzeigen. Zudem sollte es Empfehlungen für die Weiterentwicklung der Peer-Education- und Peer-Tutoring-Methode formulieren.

Die Berichte stehen nachfolgend im Kapitel «Weitere nützliche Infos» zum Download bereit.

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Weitere nützliche Infos

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