Ich sitze mit Lisas Mutter und ihrer Schwester am Wohnzimmertisch. Vor uns liegt ein Tablet, das zu einem wichtigen Begleiter für die ganze Familie geworden ist. Verbunden ist es mit zwei grossen Buzzern: Der eine bedeutet »Weiter«. Wenn ich ihn drücke, kann ich mich durch die verschiedenen Inhalte hindurchklicken. Der zweite steht für »Enter«. Mit ihm kann ich einen Ordner oder eine Datei auswählen. Die Buzzer sind nötig geworden, weil Lisa nichts mehr sieht und entsprechend auf dem Tablet selbst nicht mehr navigieren oder etwas anklicken kann.
Technisch gesagt ist das Tablet ein Hilfsmittel der sogenannten Unterstützten Kommunikation (UK). In der Realität ist es aber weit mehr als das:
1. Hilfe im Unterricht
In Lisas Klasse sitzen Mädchen und Jungen mit ganz unterschiedlichen Beeinträchtigungen. Das Tablet ermöglicht es Lisa, mit den anderen zu kommunizieren. Jeden Sonntagabend zum Beispiel nimmt sie mithilfe eines Familienmitglieds auf, was sie am Wochenende erlebt hat. In der Schule kann sie dann die Fotos zeigen und den Text mit der Vorlesefunktion abspielen. Die Lehrerin nutzt das Tablet zudem als Unterrichtsmittel und speichert darauf zum Beispiel ein Tier- oder Liederquiz ab, das die Schüler*innen dann zu Hause spielen können.
2. Koordination zwischen Familie, Schule und weiteren Unterstützenden
Das Tablet ist Bindungsglied zwischen Familienleben, Schulalltag und Betreuungsangeboten. Wenn beispielsweise eine Therapie bei der Logopädin ansteht, kann diese auf dem Gerät sehen, was Lisa davor gemacht hat. War vorher schon viel los, kann sie darauf eingehen und die Aktivitäten, die sie mit Lisa macht, adaptieren.
3. Kreativitätstool
Je nachdem, was die Beeinträchtigung zulässt, sind der Kreativität keine Grenzen gesetzt. Lisa hat sich erst vor kurzem gemeinsam mit einer Freundin eine Geschichte ausgedacht und diese dann aufgenommen. Bei den Playlisten mit ihren Lieblingsliedern singt sie lauthals mit.
4. Erinnerung
Ob Geburtstagsparty, Weihnachten, Familienausflug oder die Konfirmation, auf die Lisa so lange hingefiebert hat: All ihre Erlebnisse und Aktivitäten sind mit Fotos, Videos und Tonaufnahmen gespeichert. Nicht nur Lisa klickt sich immer wieder durch all die schönen Momente durch. «Für uns ist das Tablet eine Schatztruhe der Erinnerungen», sagt Lisas Mutter.
Neu kommt eine weitere Funktion hinzu, die in naher Zukunft wichtig sein wird. Denn Lisas sprachliche Fähigkeiten nehmen kontinuierlich ab. Selbst ihre Angehörigen und die Menschen, die sie betreuen, verstehen oft nicht mehr, was sie sagen möchte. Darum nimmt die Familie kleine Videos auf, in denen Lisa für verschiedene Bedürfnisse ihre eigenen Gebärden zeigt. So können die anderen lernen, wie Lisa mitteilt, wenn sie hungrig ist oder Durst hat. Wenn sie auf die Toilette muss oder ein Taschentuch braucht. Wenn sie Musik hören oder ihre Lieblingsserie schauen möchte.