Keine Gedanken scheinen sich die Mädchen darüber zu machen, dass sie mit ihren Selfies auch gängige Klischees bedienen. Maya Götz schreibt dazu: «Kritische Fragen, ob es beispielswiese überhaupt sinnvoll und ihrer Identität zuträglich ist, einem so stereotypen Schönheitsideal genügen zu wollen, werden nicht gestellt. Die Mädchen sind perfekt angepasst und formulieren ihre Selbstinszenierung ausgesprochen kompetent im Sinne eines neoliberalen Frauenbildes, bei dem die Selbstoptimierung und das sich und anderen Gefallen im Mittelpunkt stehen.»
Genau dieser Entwicklung entgegenwirken will BeReal. Denn hier sollen weder inszenierte Selfies die Runde machen, noch Influencer*innen den Ton bestimmen. Möglich sein soll das vor allem dadurch, dass User*innen jeden Tag zu unterschiedlichen Zeiten eine Benachrichtigung erhalten. Dann bleiben zwei Minuten Zeit, um ein Foto aufzunehmen und zu posten. Genutzt werden dabei beide Kameraeinstellungen gleichzeitig, das heisst, zu sehen ist das, was ich mit der Frontkamera fotografiere (z. B. mein Bildschirm, weil ich gerade diesen Text schreibe), und in der Ecke ein mit der Rückkamera aufgenommenes kleines Selfie. Zwar kann ich (innerhalb dieser zwei Minuten) mehrmals ein Foto aufnehmen oder das Ganze auch auf später verschieben. Beim Upload wird das alles aber angezeigt. Ausserdem funktionieren weder das Hochladen aus der Galerie noch die Bearbeitung. 24 Stunden später wird das Foto gelöscht – und andere Bilder anschauen kann nur, wer selber bereits eins gepostet hat.
Ob damit die Welt der sozialen Netzwerke revolutioniert wird, bleibe dahingestellt. Ein wichtiger Punkt, der bei der Nutzung im Blick behalten werden sollte: Gezeigt wird üblicherweise immer, wo sich jemand gerade aufhält. Weil Fotos auch öffentlich geteilt werden können, ist dies aus Datenschutzgründen problematisch. Die Standort-Funktion sollte darum deaktiviert werden. Zudem kann die Zwei-Minuten-Regel dazu führen, dass man sich genötigt fühlt, ein Foto zu posten, das man danach vielleicht bereut. Bis das Foto nach 24 Stunden gelöscht wird, kann es längst woanders abgespeichert und weiterverbreitet werden.
Am schönsten sind wir, wenn wir niemandem gefallen wollen.
Kate T. Parker, Fotografin