Spiel und Spass: Warum Werbestrategien für Kinder undurchsichtig sind

| Bettina Bichsel

Hand aufs Herz: Wir haben uns alle schon mal von Werbung dazu animieren lassen, etwas zu kaufen. Kinder sind dafür noch viel anfälliger. Nicht nur, weil Werbemachende genau wissen, was Mädchen und Jungs begeistert, sondern vor allem auch, weil Heranwachsende Werbung oft gar nicht als solche erkennen.  
 

Ich erinnere mich noch gut, wie wir in einem Restaurant jeweils ein Kinder-Überraschungsei zum Nachtisch bekommen haben. Da es das bei uns sonst nie gab, war das ein grossartiges Erlebnis. Und natürlich wollten mein Bruder und ich immer dahin zurück.

Demselben Prinzip – etwas wird ausgepackt, die Freude ist gross – folgt das Onlinephänomen «Unboxing». Im Internet finden sich dazu Millionen von Videos, und nicht selten sind es Kinder, die vor der Kamera sitzen und aus irgendwelchen Verpackungen Spielsachen, Süssigkeiten oder andere Dinge herauskramen. Den Inhalt finden die Kids natürlich immer wahnsinnig toll, die Begeisterung ist ihnen anzusehen und sie kommen auch nicht mehr aus dem Schwärmen heraus. Was dabei in der Regel nicht kommuniziert wird: Unternehmen bezahlen dafür, dass ihre Produkte so präsentiert werden. Sprich, es handelt sich um kommerzielle Werbung.

Sprechen Sie mit Ihrem Kind darüber, was Werbung ist und welche Ziele dahinter stecken.

Dass gerade Kinder das nicht bemerken, zeigte letztes Jahr eine Studie, die von der Gesundheitsförderung Wallis in Auftrag gegeben und durch die Haute Ecole Arc Neuchâtel durchgeführt wurde. Die vier bis 13-jährigen Kinder, die sich Unboxing-Videos anschauten, stuften diese nicht als Werbung ein. Und: Die Videos, in denen Süssigkeiten ausgepackt wurden, weckten deutlich deren Appetit. Zwar wollten sie nicht unbedingt das gezeigte Produkt, aber doch zumindest etwas Süsses naschen.

Versteckte Werbeformen sind besonders schwer erkennbar

Es gibt Werbeformen im Internet, die für Kinder (besonders mit zunehmendem Alter) relativ gut erkennbar sind, vor allem, wenn die Werbung sich klar abhebt von den eigentlichen Seiteninhalten. Dazu gehören Werbestreifen oben, unten oder am rechten/linken Rand einer Webseite, leicht wegzuklickende Pop-ups, aber auch Werbespots, die vor dem eigentlichen Video laufen, das man sich ansehen will.   

Schwierig wird es für Kinder etwa bei Werbeformen, die nicht leicht wieder wegzuklicken oder nicht auf den ersten Blick von redaktionellen Inhalten zu unterscheiden sind. Gerade in sozialen Netzwerken finden sich solche Formen häufig. Auch Sponsoren- oder Markenangaben sind manchmal so in eine Seite integriert, dass sie scheinbar dazugehören. Und in Filmen oder Serien tauchen scheinbar zufällig die verschiedensten Produkte auf, von Klamotten und Accessoires über Lebensmittel bis hin zu Autos. Diese Produktauftritte sind natürlich genauso bezahlt wie wenn Influencer*innen auf YouTube oder Instagram ihre Lieblingsgadgets anpreisen.
 

Shopping als Spiel

Undurchsichtig wird es für Heranwachsende  ausserdem, wenn Gewinnspiele oder Verlosungen zum Mitmachen animieren. Auch dafür gibt es ein englisches Wort: Gamification (wobei der Begriff ganz allgemein verwendet wird, sobald videospieltypische Elemente in einem Bereich eingesetzt werden, der erst mal nichts mit Spiel zu tun, zum Beispiel auch als Lernmotivation). Ziel ist es, User*innen für weitere Einkäufe zu gewinnen, indem sie etwa beim Glücksraddrehen oder mit anderen Spielen, die wie Flappy Bird, Candy Crush oder Bubble Shooter funktionieren, Rabatte und Belohnungen erhalten. Die britische Times berichtete über entsprechende Praktiken des chinesischen Billigmode-Giganten Shein, und auch die Digitalmarketing-Plattform OMR zeigt in einem Artikel auf, wie besonders asiatische Unternehmen Gamification als Strategie nutzen und Shopping als Unterhaltung und Event zelebrieren, womit sie gerade bei jungen Kund*innen punkten.

Das Belohnungssystem funktioniert meist ähnlich: Je öfter man sich beispielsweise in die App einloggt, desto mehr Punkte erhält man. Und auch Bewertungen, das Kreieren von Outfits oder die Teilnahme an Challenges zahlen aufs Konto ein. Für gesammelte Punkte erhält man schließlich Rabatte.

Erklären Sie Ihrem Kind, was hinter Werbung steckt

Wichtig ist es, Kinder für die Werbestrategien der Unternehmen zu sensibilisieren. Surfen Sie mit Ihrem Kind im Internet und sprechen Sie mit ihm darüber, was Werbung ist und welche Ziele dahinter stecken. Zudem bieten Werbeblocker einen gewissen Schutz.

Und auch das Thema Datenschutz ist dabei im Auge zu behalten. Gerade bei Gewinnspielen oder Verlosungen geht es oft darum, an E-Mail-Adressen oder andere persönliche Angaben zu kommen. Seien Sie darum immer zurückhaltend mit der Eingabe persönlicher Daten und vermitteln Sie das auch Ihren Kindern.

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Weitere Informationen und Tipps zum Thema finden Sie in unseren Rubriken
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→ Sicherheit & Datenschutz

Das Deutsche Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend hat zudem gemeinsam mit der Landesanstalt für Medien Nordrhein-Westfalen (LfM) einen Ratgeber für Eltern zum Thema Kinder und Onlinewerbung veröffentlicht.

Bettina Bichsel ist Journalistin und Texterin. Sie schreibt und bloggt unter anderem für Jugend und Medien.