Vereine und Bildaufnahmen: Worauf Eltern achten sollten

| Nina Hobi | Bettina Bichsel

Klar, wenn Mila auf dem Fussballplatz steht und Leon auf der Hip-Hop-Bühne, fiebern wir als Eltern kräftig mit. Egal, ob sie ein Goal schiesst oder er bei der Choreo so ganz mitkommt. Und klar halten wir die Momente auch gerne mit der Handy-Kamera fest. Aber wenn aus den Zuschauerreihen ein Blitzlichtgewitter losgeht, wird einem schon mal mulmig zumute: Was geschieht mit den Aufnahmen? Was liegt in der Verantwortung der Vereine? Und der Eltern? Ein Erfahrungsbericht und eine Einordnung aus juristischer Sicht.

Vor einem Jahr lud der Sportverein, in dem unser Kind damals aktiv war, zu einer Vorführung für die Eltern. Der Anlass war gut organisiert, eine Kindergruppe nach der anderen zeigte auf der Bühne ihr Können – nur sahen wir aus der vierten Reihe fast nichts davon, da vor uns sämtliche Eltern ihre Handys in die Luft hielten, um Fotos zu machen oder sogar zu filmen.

Wo landen all diese Aufnahmen nachher? In Familien-Chats, auf Instagram?

Nina Hobi, Jugend und Medien

Abgesehen vom Ärgernis für die weiter hinten sitzenden Eltern, die sich die Hälse verrenken mussten, um überhaupt einen Blick auf ihr Kind zu erhaschen, beschäftigten mich einige Fragen: Wissen diese Eltern, dass sie nicht einfach fremde Kinder fotografieren oder filmen sollten? Wo landen all diese Aufnahmen nachher? In Familien-Chats, auf Instagram?

Neuer Verein, dieselben Fragen

Ich ging mit einem unguten Gefühl nach Hause, da unser Kind jedoch kurz darauf entschied, den Verein zu verlassen, habe ich die Verantwortlichen nicht darauf angesprochen.

Womit ich nicht gerechnet hatte: Der nächste Sportverein, für den das Kind sich entschied, zwang mich, mich mit ähnlichen Fragen auseinanderzusetzen. Das Formular für die Vereinsanmeldung enthielt diesen Satz: «Mit der Unterzeichnung des Mitgliedschaftsantrags nehmen die Eltern zur Kenntnis, dass der Verein Fotos der Teammitglieder auf seiner Webseite publiziert und dass an Anlässen Bild- und Videomaterial aufgenommen wird, das ebenfalls auf den Kanälen des Vereins veröffentlicht wird.» Im Prinzip wird so die Mitgliedschaft im Verein daran geknüpft, dass die Eltern (und Kinder) in Foto- und Video-Aufnahmen und deren Publikation pauschal einwilligen.

Wann sind Vereine, wann Eltern in der Pflicht?

Ich habe den Satz auf dem Formular durchgestrichen und eine Notiz dazugeschrieben: Ich bin nicht damit einverstanden, dass Fotos oder Videos von meinem Kind auf den Kanälen des Vereins veröffentlicht werden.

Woraufhin mich der Vereinspräsident wenige Tage später anrief. Es war ein schwieriges Gespräch, er verteidigte sich mit «Wir machen ja nichts falsch!» und wollte, dass ich ihm eine Lösung vorschlage – was ich besonders unangenehm fand, denn: Das Problem liegt schliesslich nicht bei mir, obwohl er das offenbar so sah. Nach einer längeren Diskussion einigten wir uns darauf, dass mein Kind Mitglied werden durfte, ohne dass wir diesen Punkt «zur Kenntnis nehmen».

Immerhin: Als ein Fototermin anstand, wurden die Eltern vorgängig per E-Mail darüber informiert, dass sie der Fotografin vor Ort mitteilen können, wenn sie nicht möchten, dass ihr Kind fotografiert wird. Abhaken konnten wir das Thema dennoch nicht, wie sich etwas später beim Kinder-Schwimmkurs zeigte: Damit die Eltern zuschauen konnten, war im Aufenthaltsraum vor der Schwimmhalle ein grosser Bildschirm installiert, auf dem der Unterricht gestreamt wurde. Die Qualität war nicht gerade HD, dennoch waren die Kinder in ihren Schwimmanzügen sichtbar. Und wieder zückten gleich mehrere Eltern ihr Handy und starteten ihre Filmaufnahme. Ich war sprachlos.

Der Rechtsweg ist für alle Beteiligten unangenehm, aufwendig und teuer.

Martin Steiger, Rechtsanwalt

Wie sieht es denn nun rechtlich aus?

Martin Steiger hat sich als Rechtsanwalt auf juristische Themen im digitalen Raum spezialisiert. Unsere Erfahrungsbeispiele lösen bei ihm kein Erstaunen aus, gleichen oder ähnlichen Vorkommnissen begegnet er in seiner Praxis häufig: «Ja, vieles wird versucht. Aber normalerweise nicht in böser Absicht, sondern eher aus Unbedarftheit.»

Sprich: Das Thema Datenschutz ist natürlich in den Vereinen angekommen. Im besten Fall kümmert sich eine verantwortliche Person explizit darum, also auch um das «Recht am eigenen Bild». Dass das jemand mit juristischer Expertise ist, lässt sich verständlicherweise nicht in jedem Verein umsetzen.

Wichtig als Eltern zu wissen ist:

  • Jedes Vereinsmitglied hat das Recht auf die freiwillige Entscheidung, ob es fotografiert oder gefilmt werden möchte. Dabei sollte laut Martin Steiger auch unterschieden werden, ob die Aufnahmen für interne Zwecke gedacht sind (z.B. den Vereinsnewsletter) oder für Kanäle, die der breiten Öffentlichkeit zugänglich sind (Webseite, Social Media, Pressematerial etc.).
  • Wird nach einer Einwilligung gefragt, sollte eine gleichwertige Antwort mit Ja oder Nein möglich sein. Die Einwilligung mit der Anmeldung zu verknüpfen, ist demnach rechtlich nicht erlaubt. Auch allein die «Kenntnisnahme» ist nicht rechtssicher. Ausserdem müssen die Informationen verständlich sein. Bei Mustervorlagen, die man im Netz findet, ist dies oft nicht gegeben, weil sie in juristischer Fachsprache oder für deutsche Verhältnisse verfasst sind. Hilfestellungen erhalten Vereine beispielsweise bei ihren Verbänden oder bei der Fachstelle vitamin b.
  • Selbst bei Gruppenaufnahmen, wenn also niemand allein im Fokus steht, oder wenn die abgebildeten Personen auf den ersten Blick nur ungenau zu erkennen sind, gilt das «Recht am eigenen Bild». Nicht zuletzt, weil Bildauflösung und Techniken wie Gesichtserkennung inzwischen weit fortgeschritten sind. Das gilt gemäss einem Bundesgerichtsurteil bereits seit dem Jahr 2011.
  • Komplizierter wird es, sobald man sich im öffentlichen Raum oder an einem Ort mit vielen Menschen bewegt, beispielsweise bei Aufführungen, auf dem Fussballplatz oder im Wald. «Man muss in solchen Situationen damit rechnen, dass anwesende Personen fotografieren oder filmen», stellt Martin Steiger klar. «Ich persönlich halte es für fragwürdig, vor allem wenn es um fremde Kinder geht. Aber wirksam kontrollieren lässt sich das im Smartphone-Zeitalter nicht.» In solchen Situationen sieht Martin Steiger die fotografierenden und filmenden Personen in der Pflicht. Wünschenswert wäre durch Vereine dennoch eine Sensibilisierung, etwa im Rahmen eines Infoabends oder eines Merkblatts für Eltern zum Thema Datenschutz.
  • Taucht ein Foto/Video des eigenen Kindes auf der Vereinswebseite oder auf dem Instagram-Profil anderer Eltern auf, zu dem keine Einwilligung erfolgte, kann zwar dagegen Widerspruch erhoben werden. Aber was einmal online ist, bleibt häufig dauerhaft im Netz abrufbar. Letztlich kann niemand garantieren, dass eine gelöschte Aufnahme tatsächlich komplett gelöscht ist.
     

Tipps für Vereine und Eltern

Vereinen rät Martin Steiger einerseits, den Datenschutz der Mitglieder hochzuhalten und gerade bei Aufnahmen von Minderjährigen zurückhaltend und überlegt zu agieren.Vereine sollten auf Wünsche der Eltern, die mit Bildveröffentlichungen oder bereits mit dem Fotografieren und Filmen nicht einverstanden sind, mit Empathie und Kulanz reagieren: «Der Rechtsweg ist für alle Beteiligten aufwendig, unangenehm und teuer.»

Vereine können sich an der Sensibilisierung der Eltern beteiligen, indem sie sie darauf aufmerksam machen, dass beispielsweise im Rahmen von Veranstaltungen keine Fotos oder Videos anderer Kinder gemacht werden sollten – und dass Bildmaterial, welches andere Kinder zeigt, keinesfalls weiterverbreitet oder auf Social Media hochgeladen werden sollte.

Als Eltern sollten Sie sich auf jeden Fall mit der Frage auseinandersetzen, inwiefern Sie Foto- und Videoaufnahmen Ihres Kindes erlauben möchten. Berücksichtigen Sie den Willen Ihres Kindes. Und unterscheiden Sie dabei auch zwischen vereinsinternem Gebrauch und öffentlicher Verbreitung. Bei einer öffentlichen Verbreitung (Webseite, Instagram, TikTok etc.) raten wir, zurückhaltend zu sein, weil man nie wissen kann, was mit den Aufnahmen geschieht und wie ein Kind solche Aufnahmen zu einem späteren Zeitpunkt im Leben beurteilt.

Wenn Sie nicht automatisch über das Thema Foto-/Videoaufnahmen informiert bzw. keine explizite Einwilligungserklärung (die Sie auch ablehnen können) erhalten, fragen Sie bei den Vereinsverantwortlichen nach. Das Gespräch mag – wie in unserem Fall – unangenehm sein. Es ist aber umso wichtiger, als das Bewusstsein eben noch nicht überall gross genug ist, sowohl auf Vereins- als auch auf Elternseite.

Und in der Schule?

Hier gelten dieselben Grundlagen: Fotos und Videos von Kindern und Jugendlichen dürfen nicht ohne deren Einverständnis und dasjenige ihrer Eltern veröffentlicht werden. Auch an Schulveranstaltungen – wie beispielsweise Theateraufführungen oder Weihnachtsfeiern – kann, ähnlich wie bei Veranstaltungen im Vereinskontext, eine Sensibilisierung der Eltern stattfinden.

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Hinweis: Eine Behörde, die das «Recht am eigenen Bild», von sich durchsetzt, gibt es nicht. Der Eidgenössische Datenschutz- und Öffentlichkeitsbeauftragte (EDÖB) veröffentlicht zwar Informationen rund um rechtliche Grundlagen und Pflichten der Vereine im Umgang mit → Daten allgemein und mit → Fotos und Videos im Speziellen. Der EDÖB tritt aber nicht als Vertreter von Einzelpersonen im Sinne eines «Datenschutzanwalts» auf. Findet sich keine einvernehmliche Lösung zwischen Eltern und Vereinen, ist der Rechtsweg darum unvermeidlich.

Nina Hobi ist Projektleiterin bei Jugend und Medien und Mutter von zwei Kindern. Die Idee für diesen Text und der Erfahrungsbericht im ersten Teil stammen von ihr.

Bettina Bichsel ist Journalistin und Texterin. Sie schreibt und bloggt unter anderem für Jugend und Medien.