Wie wär’s mit einer Familien-Offline-Challenge?

| Bettina Bichsel

13 Stunden verbringen wir täglich in irgendeiner Form mit Medien. Das ist das Ergebnis einer Studie aus Deutschland für das Jahr 2021. Darin ist zwar alles enthalten: von Zeitungen, Büchern und dem Festnetztelefon über Fernsehen, Radio und Podcasts bis hin zu Computer, Smartphone, Tablet, Spielkonsolen und Wearables. Also nicht nur digitale Medien – und doch spielen diese die weitaus grösste Rolle, wie die Befragung der 14- bis 69-Jährigen zeigte.

Dass ein solcher Rekordwert erreicht wurde, hängt natürlich auch mit der Corona-Pandemie zusammen: Wir sassen vermehrt in Online-Meetings, machten Videocalls und waren öfter dazu gezwungen, Freizeitaktivitäten zu Hause nachzugehen. Netflix lässt grüssen. 

Die JAMES-Studie, die das Medienverhalten von Schweizer Jugendlichen untersucht, hat für 2020 einen vermehrten Umgang mit digitalen Medien festgestellt: Mädchen und Jungs zwischen 12 und 19 Jahren waren unter der Woche rund 3 Stunden täglich am Smartphone, am Samstag und Sonntag sogar 5 Stunden (das waren fast 2 Stunden mehr als vor Corona). Hinzu kommen auch hier andere digitale Medien. Für jüngere Kinder gibt er zur Pandemie noch keine Zahlen. Aber klar hat sich auch ihr Medienverhalten in dieser Zeit verändert – und als Eltern gingen wir etwas lockerer mit den Bildschirmregeln um oder drückten öfters mal ein Auge zu.    

Einfach mal abschalten

Dass unser Alltag immer stärker von digitalen Medien geprägt ist, wissen wir längst. Sie machen ja auch Vieles einfacher, sind praktisch, nützlich, manchmal auch einfach unterhaltsam oder entspannend. Und sei es nur, indem wir unseren 5-Jährigen ein paar Folgen «Paw Patrol» auf dem Tablet schauen lassen, um selbst mal kurz durchatmen zu können.

In der Vorweihnachts- und Festtagszeit sind das Handy & Co. logischerweise ebenso treue Begleiter. Wir surfen nach geeigneten Geschenken, bestellen sie online. Wir lassen uns auf Instagram von Dekoideen inspirieren und suchen in Blogs nach neuen Rezepten für Weihnachtsguetzli und das Weihnachtsmenü. Wir stellen auf Spotify eine X-Mas-Playlist zusammen und schauen uns auf YouTube die lustigsten Pannen an, die anderen beim Schmücken des Tannenbaums oder beim Montieren der Weihnachtsbeleuchtung passiert sind. Unter dem Weihnachtsbaum liegen ein neues Game und eine Smartwatch.

 


Gerade die bevorstehenden Feiertage könnten aber auch die Gelegenheit für einen Versuch bieten: Digital Detox. Der neudeutsche Begriff mag plakativ klingen, nach einem ans Englische angelehnten, eingängigen Wort für eine Marketingkampagne. Tatsächlich gibt es inzwischen Hotels und Regionen, die ganz gezielt damit Werbung machen, dass man hier bewusst internet- und smartphonefreie Tage verbringen kann (oder soll). Wir bevorzugen den Begriff Digital Wellbeing oder Digital Balance, da wir nicht von digitalen Technologien vergiftet werden, sondern möglicherweise eine exzessive oder problematische Nutzung haben – oder einfach mehr Zeit offline verbringen möchten.

Der Gedanke, der hinter dem Begriff liegt, ist in Zeiten, in denen unsere Kinder als Digital Natives aufwachsen und wir Erwachsenen uns selbst immer wieder darum bemühen, einen verantwortungsbewussten und achtsamen Medienumgang vorzuleben, durchaus legitim und sinnvoll. Nämlich einfach mal weg von allem, was online und digital abläuft, um wieder das zu entdecken, was offline und analog möglich ist. Zumindest für eine gewisse Zeit. Und klein angefangen. Es muss ja nicht gleich eine ganze Offline-Woche sein.

Als Familie macht Offline-Zeit mehr Spass

Ein erster Schritt kann sein, sich kleine Auszeiten zu gönnen.

Dass gerade Apps dabei Unterstützung bieten, mag paradox erscheinen. Aber gut, es gibt nun mal Apps für so ziemlich alles, wieso also nicht auch als Hilfe beim Versuch, weniger Zeit am Bildschirm zu verbringen. Es gibt welche, die zeigen einem, wofür man besonders viel Zeit ver(sch)wendet. Entsprechend kann man sich Zeitlimiten setzen oder Zeiträume, in denen spezifische Apps und Webseiten nicht abrufbar sind. Oder man legt selber einen bestimmten Zeitraum fest, in dem gilt: Finger weg vom Handy. Belohnt wird man etwa mit wachsenden Bäumen oder immer grösser werdenden Unterwasserwelten. 

Beispiele für solche Apps:

  • Forest
  • AppBlock
  • Nox Ocean
  • StayFree
  • ActionDash


Und alleine schon, Push-Benachrichtigungen auszuschalten, kann einen grossen Unterschied machen. Denn das Aufblinken, Vibrieren oder Piepsen verleitet einen dazu, doch kurz nachzuschauen, was denn da gerade reingekommen oder geschehen ist. Meistens, um festzustellen, dass es auch hätte warten können. Um dies zu verhindern, können Sie für sich festlegen, wie oft Sie die Messengerdienste, Social-Media-Kanäle und den E-Mail-Posteingang täglich checken wollen.

Gemeinsame Familienvereinbarungen sind ebenfalls eine gute Lösung: Den zusammen fällt der Verzicht leichter. Im besten Fall fühlt es sich gar nicht wie ein Verzicht an. In unserem Jugend-und-Medien-Team heisst das zum Beispiel, dass alle Smartphones in der Zeit zwischen elterlichem Feierabend und dem Zubettgehen der Kinder ausgeschaltet sind. Oder dass Handys (und natürlich auch Tablets oder Laptops) gänzlich aus allen Schlafzimmern verbannt oder bei einem gemeinsamen Ausflug auch mal zu Hause gelassen werden.  

Vielleicht wagen Sie sich ja zusammen sogar an eine richtige Offline-Challenge, indem Sie sich täglich immer noch ein kleines bisschen steigern?

Eine Anregung für 7 oder 8 Tage – also eigentlich perfekt für die Zeit zwischen Weihnachten und Neujahr – finden Sie auf der Webseite der Plattform «Ins Netz gehen», Tipps von Jugendlichen für Jugendliche bei Klicksafe.

Aber natürlich sind auch der eigenen Kreativität keine Grenzen gesetzt. Machen Sie daraus ein Spiel: Sammeln Sie gemeinsam Offline-Vorschläge und gestalten Sie dann Ihre persönliche Familien-Challenge – mit einem kleinen Preis, der für die Siegerin*den Sieger winkt. 

Bettina Bichsel ist Journalistin und Texterin. Sie schreibt und bloggt unter anderem für Jugend und Medien.