Zwei Jugendliche schauen draussen schockiert auf ein Handy.

Cybermobbing: Der neue Schwerpunkt von Jugend und Medien

Beleidigungen, fiese Gerüchte, peinliche Fotos, Drohungen oder sogar gefakte Profile – Cybermobbing hat viele Gesichter. Um für das Thema zu sensibilisieren, machen wir Cybermobbing zu unserem neuen Schwerpunkt.

Beleidigungen, fiese Gerüchte, peinliche Fotos, Drohungen oder sogar gefakte Profile – Cybermobbing hat viele Gesichter. Zu oft leiden die Betroffenen im Stillen, die Täter*innen verstecken sich in der Anonymität des Internets. Um für das Thema zu sensibilisieren, machen wir Cybermobbing zu unserem neuen Schwerpunkt.

Belastend an Cybermobbing ist vor allem, dass die Opfer keine Pause haben von den Gemeinheiten, weil uns das Handy heute überallhin begleitet. Während Mobbing sich zum Beispiel auf die Schule oder den Sportverein beschränkt, gehen die Schikanen bei Cybermobbing auch zu Hause weiter. Über Instagram, Snapchat oder WhatsApp werden beleidigende Kommentare, drohende Nachrichten oder diskriminierende Bilder verschickt. Ausserdem führt die Verbreitung über digitale Kanäle dazu, dass die Attacken viel grössere Kreise ziehen und online immer wieder abgerufen werden können.

Viele Opfer schämen sich

Manchmal erstellen die Täter*innen im Namen der Opfer Profile und veröffentlichen gefakte Nachrichten und Fotos. Auch hier ist es schwierig, sich zu wehren, zumal einmal veröffentlichte Posts oft nur schwer zu löschen sind. Und nicht zuletzt bietet das Internet den Täter*innen einerseits die Möglichkeit, anonym zu agieren. Andererseits werden sie nicht direkt mit den Reaktionen der Gemobbten konfrontiert, was es leichter macht, zu beleidigen und zu drohen.

Wer von Cybermobbing betroffen ist, fühlt sich meist ohnmächtig und ausgeliefert. Die Opfer schämen sich, suchen die Schuld bei sich. Ihr Selbstvertrauen leidet, sie fühlen sich ausgeschlossen. Angstzustände, Depressionen, Suizidgedanken können die Folge sein. Im Jahr 2017 machte der tragische Suizid einer 13-Jährigen in der Schweiz Schlagzeilen. Ihre Eltern sind überzeugt, dass ihre Tochter ihr Leben beendete, weil sie sich durch ein im Internet veröffentlichtes intimes Foto blossgestellt und gedemütigt fühlte. Sie hatte das Foto einem Jungen geschickt, in den sie verliebt war. Er und das Mädchen, welches das Foto ins Netz stellte, wurden später zu persönlichen Leistungen verurteilt.

Cybermobbing kann rechtliche Folgen haben

Cybermobbing ist in der Schweiz kein eigener Straftatbestand. Trotzdem sind im Zivilgesetzbuch (ZGB) und im Strafgesetzbuch (StGB) verschiedene Taten enthalten, die unter Umständen herangezogen werden können, um strafrechtlich gegen Cybermobbing vorzugehen:

Zivilgesetzbuch

  • Werden Fotos oder Videos veröffentlicht, ohne dass die zu abgebildete Person eine Einwilligung dafür gibt, kann dies als Verletzung gegen die Persönlichkeit gelten (Art. 28)
  • Wenn jemand anderes meinen Namen benutzt, um damit z.B. Nachrichten zu posten, kann ich Schadenersatz oder Genugtuung einfordern (Art. 29)


Strafgesetzbuch

  • Verschiedene Gesetzesartikel befassen sich mit Ehrverletzungen. Das bedeutet, dass man nicht beschimpft (Art. 177) und nicht in seinem Ruf geschädigt (Art. 173: üble Nachrede und Art. 174: Verleumdung) werden darf.
  • Auch Drohung (Art. 180), Nötigung (Art. 181) und Erpressung (Art. 156) können geltend gemacht werden.
  • Strafbar macht sich, wer z.B. einen fremden Facebook- oder Instagram-Account hackt (Art. 143bis: Unbefugtes Eindringen in ein Datenverarbeitungssystem) oder fremde Daten verändert ( Art. 144 bis: Datenbeschädigung)
  • Zudem ist es verboten, z.B. ein privates Video von jemandem ohne dessen Wissen aufzunehmen (Art. 179quater: Verletzung des Geheim- oder Privatbereichs durch Aufnahmegeräte) und Personendaten oder Persönlichkeitsprofile zu beschaffen (Art. 179novies: Unbefugtes Beschaffen von Personendaten)

Beweise sichern, Täter*innen sperren

Um Beweismaterial für die Polizei sicherzustellen, sollten Screenshots oder Kopien der Chatverläufe und der veröffentlichten Posts und Bilder gemacht werden. Unmittelbar danach sollten die veröffentlichten Nachrichten, Kommentare und Fotos gelöscht werden. Wenn das selber nicht möglich ist, kann es über die Plattformbetreiber geschehen.

Wichtig ist aber auch, auf die Attacken gar nicht zu reagieren, selbst wenn das schwer ist. Täter*innen können blockiert werden, damit sie nicht weiter drohen und beleidigen.

Behalten Sie als Eltern ihre Kinder im Blick und sprechen Sie sie an, wenn Sie Verhaltensveränderungen beobachten. Oft ziehen sich Kinder und Jugendliche, die gemobbt werden, zurück, wollen nichts mehr mit anderen unternehmen, sprechen das Thema aber auch nicht von sich aus an, weil sie sich schämen. Geben Sie Ihrem Kind darum zu verstehen, dass es sich keine Vorwürfe zu machen hat.

Neues Schwerpunktthema

In der Schweiz gibt es bisher vereinzelte Studien zu Cybermobbing. Im Rahmen des europäischen Projektes EU Kids online zeigte eine Befragung in der Schweiz, dass rund 1 bis 5 Prozent der 9- bis 16-Jährigen wiederholte Schikanen im digitalen Raum erlebt hat. Oft gibt es Überschneidungen zwischen Cybermobbing und Attacken, die ausserhalb des Internets stattfinden. 20 Prozent der Betroffenen haben es niemandem erzählt.

Jugend und Medien macht Cybermobbing bis nächstes Jahr zum neuen Schwerpunktthema. Geplant ist unter anderem eine Social-Media-Kampagne, die für das Thema sensibilisiert, die Folgen für die Opfer aufzeichnet und auch die strafrechtlichen Konsequenzen deutlich macht. Es soll nicht nur darum gehen, Betroffene aufzufangen und ihnen Hilfestellungen zu bieten. Auch potenzielle Täter*innen und Heranwachsende, die Cybermobbing bei anderen beobachten, sollen angesprochen werden. Mit dem Schwerpunkt Cybermobbing wird überdies ein parlamentarischer Auftrag erfüllt, nachdem Nationalrätin Yvonne Feri 2020 eine Motion mit der Forderung nach einer Kampagne gegen Mobbing und Cybermobbing eingereicht hatte. Informationen über laufende Aktivitäten finden Sie auf unserer → Webseite.

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Weitere Hintergrundinformationen und praktische Hilfestellungen haben wir zudem in unserer Rubrik à → Cybermobbing zusammengefasst. Die Broschüre → «Cybermobbing: Alles, was Recht ist» der Schweizerischen Kriminalprävention erläutert zudem die rechtliche Lage mit Beispielen.

Bettina Bichsel ist Journalistin und Texterin. Sie schreibt und bloggt unter anderem für Jugend und Medien.