Eine ältere Frau zeigt einem kleinen Jungen die Benützung des Smartphones.

Digitale Medien: Welche Regeln machen Sinn?

Wann soll mein Kind ein eigenes Smartphone erhalten? Wie lange darf meine Sechsjährige vor dem Bildschirm sitzen? Regeln für den Medienalltag sind wichtig, für Eltern aber auch immer wieder eine Herausforderung. Wir geben Tipps, wie’s trotzdem klappt.

Wann soll mein Kind ein eigenes Smartphone erhalten? Wie lange darf meine Sechsjährige vor dem Bildschirm sitzen? Und was, wenn mein Sohn gerne Videogames spielt, ich damit aber so gar nichts anfangen kann? Regeln für den Medienalltag sind wichtig, für Eltern aber auch immer wieder eine Herausforderung. Wir geben Tipps, wie’s trotzdem klappt.

Es gibt zwei unumstössliche Fakten: Erstens sind digitale Medien nicht mehr aus unserem Leben wegzudenken. Sie gehören bereits für die Kleinsten zur Alltagsrealität. Und zweitens sorgen Smartphone, Tablet, Fernseher und Spielkonsole immer wieder für Diskussionen oder sogar Streitigkeiten.

Vor diesem Hintergrund gilt es für Eltern, eine gesunde Balance zu finden. Was erlaube ich meinem Kind? Wie lasse ich es eigene Erfahrungen sammeln? Wo setze ich Grenzen? Keine Frage: Regeln sind wichtig. Sie dienen als Orientierungshilfen und sollen Heranwachsende ja auch auf dem Weg zu einer verantwortungsbewussten Mediennutzung unterstützen.

Die Fragen sind aber nicht zuletzt deshalb so komplex, weil es keine pauschalen Antworten darauf gibt. So verschieden Kinder sind, so unterschiedlich reagieren sie. Ein Film, der ab sechs Jahren freigegeben ist, kann meinem siebenjährigen Sohn trotzdem Angst machen. Und was beim ersten Kind noch problemlos galt, wird beim zweiten vielleicht plötzlich schwer umsetzbar.

Faustregeln, wie etwa «täglich maximal 10 Minuten Bildschirmzeit pro Lebensjahr», können darum lediglich einen Anhaltspunkt bieten. Viel wichtiger ist es, das eigene Kind zu beobachten, wie es auf das Gesehene reagiert. Sobald Kinder sprechen können, sollten wir nachfragen: Was gefällt dir daran? Was löst es in dir aus? Welche Gefühle sind da?

Ob bei Büchern oder bei Videospielen – qualitativ gibt es bei allen Medien solche, die gut sind, und solche, die schlecht sind.

Eveline Hipeli, Medienpädagogin

Offen und interessiert sein

Interesse an den medialen Aktivitäten der Kinder und eine offene Haltung sind auch für die Medienpädagogin Eveline Hipeli das A und O, ganz egal, wie medienaffin man selbst ist: «Ich finde es schade, wenn zum Beispiel Games pauschal als negativ angesehen werden. Ob bei Büchern oder bei Videospielen – qualitativ gibt es bei allen Medien solche, die gut sind, und solche, die schlecht sind.» Wichtig ist darum, sich mit den einzelnen Angeboten auseinanderzusetzen, sich also eine App anzuschauen oder ein Game erst mal selbst zu spielen, um sich ein Bild zu machen. Darüber hinaus schafft das Interesse an den medialen Lieblingsaktivitäten unserer Kinder die Vertrauensbasis, dass sie bei Problemen auf uns zukommen. Wenn wir hingegen erst reagieren, wenn ein Medium zum Streitthema wird, hat das Kind vielleicht Angst, dass es ohnehin nur ein Verbot bekommt.

Man darf ruhig mutig sein.

Eveline Hipeli

Kinder einbeziehen und erklären

Generell empfiehlt die Expertin, Regeln auch flexibel zu handhaben und an die jeweilige Situation anzupassen. Wenn also das Abendessen zwar fertig ist, mein Sohn aber noch um weitere fünf Minuten bettelt, weil er sonst alle Spielfortschritte verliert, kann ich auch mal ein Auge zudrücken. Vorausgesetzt, daraus wird dann nicht eine halbe Stunde.

Überhaupt ist es sinnvoll, die Kinder in die Ausgestaltung der Regeln einzubeziehen, sobald sie dafür alt genug sind, das heisst etwa ab dem Primarschulalter. Und immer gilt es zu erklären, warum jetzt eine Bestimmung getroffen wird – zum Beispiel auch, wenn das jüngere Kind etwas plötzlich früher darf als die ältere Schwester oder der ältere Bruder. So können Kinder zumindest nachvollziehen, wie eine Regel zustande kommt. Ein Prozess, den auch Eveline Hipeli mit ihren drei Kindern kennt. Ihr Rat: «Ich finde nicht unbedingt, dass alle Kinder immer gleich behandelt werden müssen. Aber sie müssen gerecht behandelt werden. Da darf man ruhig mutig sein. Es bedingt aber auch, die Frustration, den Ärger und die Fragen der Kinder auszuhalten.»

Technisches Know-how ist nicht alles

Dasselbe kann nötig sein, wenn vielleicht Klassengspänli schon ein eigenes Smartphone haben, man selbst als Eltern aber findet, dass es dafür noch zu früh ist. Auch hier lässt sich erst einmal durch ein offenes Gespräch klären, woher der Wunsch überhaupt kommt. Mag sein, dass ein Kind einfach coole Fotos machen möchte oder mit den andern chatten. Nicht immer braucht es dann gleich ein eigenes Smartphone. Und noch etwas anderes gibt Eveline Hipeli zu bedenken: «Mit dem Smartphone geben wir unserem Kind einen kleinen Computer in die Hände. Als Eltern gehört auch die Verantwortung dazu, meiner Tochter oder meinem Sohn beizubringen, was das bedeutet und wie man das Gerät verantwortungsbewusst nutzt.»

Und selbst Jugendliche, die rein technisch vielleicht über mehr Know-how verfügen als wir Eltern und über die neuesten Trends punkto Anwendungen bestens informiert sind, brauchen Unterstützung, wenn es um Themen wie → Sicherheit und Datenschutz, → allgemeine Umgangsformen oder → Fake News geht.

Konsequent sein und Medien keinen zu hohen Stellenwert geben

So wenig es ein Patentrezept in Sachen Regeln gibt, so sicher ist doch eines: Digitale Medien als Druck- oder Belohnungsmittel einzusetzen, ist nicht sinnvoll. Dadurch wird den Medien eine übermässige Bedeutung beigemessen, die sie im Alltag gar nicht einnehmen sollen. Das heisst beispielsweise, dass es für den Sechser in der Matheprüfung kein Mehr an Tabletzeit für meinen Teenager-Sohn gibt. Und wenn meine vierjährige Tochter im Laden zwängelnd am Boden sitzt, weil sie eine Schokolade möchte, dann sage ich nicht: «Wenn du jetzt nicht aufhörst, darfst du nachher kein Filmchen schauen.» Das ist allein deshalb schon schwierig, weil das Kind den Zusammenhang zwischen der Schoggi und dem Trickfilm nicht versteht. Verbote, so Eveline Hipeli, machen nur dann Sinn, wenn sie auch logisch zusammenhängen, wenn also meine 13-jährige Tochter sich zum Beispiel über die Abmachung hinwegsetzt, dass alle Smartphones weggelegt und stummgeschaltet werden, solange wir beim Essen sind.

Und noch zwei Dinge gelten, wenn es um Regeln geht: Ersten machen sie nur soweit Sinn, als sie auch konsequent durchgesetzt werden. Und zweitens sollten wir wenn möglich nicht mit unterschiedlichen Massstäben messen: Wenn wir als Familie einen Offline-Nachmittag beschliessen, dann ist es wichtig, dass auch wir Erwachsene uns daran halten.

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Weitere Tipps für den Umgang mit digitalen Medien finden Sie zudem in unseren → Empfehlungen.

Bettina Bichsel ist Journalistin und Texterin. Sie schreibt und bloggt unter anderem für Jugend und Medien.