«Es geht darum, die eigenen Grenzen kennenzulernen»

Digitale Medien können faszinieren, manchmal sogar süchtig machen – genau wie andere Dinge auch. Die Ausstellung RAUSCH wirft einen undogmatischen Blick auf das Thema und möchte vor allem eines: die Risikokompetenz von Jugendlichen fördern.

Digitale Medien können faszinieren, manchmal sogar süchtig machen – genau wie andere Dinge auch. Die Ausstellung RAUSCH wirft einen undogmatischen Blick auf das Thema und möchte vor allem eines: die Risikokompetenz von Jugendlichen fördern. 

Die Idee entstand am Küchentisch: Als Vater von Kindern im Teenageralter waren bei Simon Haller plötzlich Rauschthemen aktuell. «Ich habe gemerkt, wie schwierig es ist, mit den Kindern darüber zu diskutieren, und im Austausch festgestellt, dass es anderen Eltern genauso geht», sagt der Initiant der Ausstellung und Geschäftsführer der Agentur Expoforum. «Überhaupt fehlte mir eine gründliche Auseinandersetzung mit dem Thema. Auch in den Schulen wird meist erst darüber gesprochen, wenn es Berichte zu Missbrauch gibt.»

Wir versuchen, die Medien, von denen man eigentlich denkt, dass man sie durchschaut, von einer anderen Seite zu zeigen.

Simon Haller, Initiant der Ausstellung RAUSCH

Von Jugendlichen für Jugendliche

Eine Ausstellung, so der Gedanke, bietet die Möglichkeit, sich umfassend dem Thema zu widmen – auf eine nicht wertende Art und Weise. Zielpublikum sind Jugendliche und junge Erwachsene zwischen 13 und 25 Jahren. Neben Fachleuten aus dem Gesundheits-, Suchtpräventions- und Jugendbereich haben drei Schülerinnen des Berner Gymnasiums Kirchenfeld und punktuell weitere Jugendliche und junge Erwachsene mitgewirkt. Über ein Jahr lang haben sie von der Konzeptphase bis zum Aufbau sämtliche Inhalte und Umsetzungsformen beurteilt, einiges dabei umgekrempelt und auch eigene Ideen eingebracht.

Entstanden ist eine «multimediale Reise», wie es im Ausstellungsbeschrieb heisst, auf der wir mit positiven und negativen Aspekten des Rausches in Kontakt kommen und uns «mit der Frage konfrontiert sehen, warum unsere Gesellschaft so widersprüchlich mit diesem Phänomen umgeht».
 

Nicht nur Drogen berauschen

Überhaupt will die Ausstellung keine vorgefertigten Antworten liefern, sondern zum Nachdenken anregen. «Es geht eher darum, mit Fragen rauszugehen und so in den Austausch mit anderen zu kommen, als das Gefühl zu haben, man wisse nun Bescheid», sagt Simon Haller.

Die erste grosse Frage, die sich stellt: Was überhaupt ist Rausch? Um das zu verstehen, reisen wir ins menschliche Gehirn. Denn hier hat jeder Rausch seinen Ursprung, wirkt auf unser Belohnungssystem ein und sorgt dafür, dass Glückshormone wie Dopamin ausgeschüttet werden. Vielleicht denken wir beim Thema Rausch in erster Linie an Alkohol und andere Drogen. Berauschen können aber auch andere Dinge: Erinnern Sie sich beispielsweise noch daran, wie Sie als Kind auf einem Kettenkarussell durch die Luft schwirrten? Wie ekstatisch man sich beim Tanzen fühlt? Oder wenn man im Stadion den Sieg der eigenen Fussballmannschaft feiert? Und wie glücklich es manchmal macht, wenn man beim Shoppen etwas findet, das einem wirklich gefällt?

Strategien der Verkaufsindustrie durchschauen

Rausch hat viele Facetten. Digitale Medien sind eine davon. In der Ausstellung werden daran insbesondere kommerzielle Faktoren verdeutlicht, wie Simon Haller erläutert: «Wir versuchen, die Medien, von denen man eigentlich denkt, dass man sie durchschaut, von einer anderen Seite zu zeigen. Es geht um soziale Aspekte und Gruppendynamiken, aber auch um manipulative Strategien der Industrie.» Das heisst zum Beispiel, dass ich als Besucherin begreife, warum mich ein Game so packt, dass ich weiterspielen möchte. Die Grafik, der Sound, das Prinzip von Levels, die immer schwieriger werden – all das hat einen Einfluss. 

Oder das Werbepotenzial von Social Media: Unternehmen wissen sehr genau, wie sie die Beliebtheit von Influencer*innen und anderen Stars nutzen können, um die eigenen Produkte zu vermarkten. «Und manchmal wird man plötzlich selber Werbebotschafter*in, ohne dass man es wollte», so Simon Haller. Auch das zeigt die Ausstellung auf.

Jugendliche brauchen das Risiko. Es geht darum, zu verstehen, was mit einem geschieht.

Simon Haller

Kompetenz statt Verbote

Dass Jugendliche und junge Erwachsene die Hauptzielgruppe sind, kommt nicht von ungefähr. Zwar ist der Rausch etwas Urmenschliches. Unzählige historische und kulturelle Überlieferungen zeugen von Rauschzuständen. Gerade die Jugend ist aber das Alter, in dem man höhere Risiken eingeht. Zudem nehmen viele Industrien diese Altersgruppe besonders ins Visier.  

Neben der Ausstellung sind Rahmenveranstaltungen und Angebote geplant. Dazu gehören Workshops und Führungen für Schulklassen, um mit den Jugendlichen direkt in Kontakt und in den Austausch zu kommen. Denn Simon Haller ist überzeugt, dass wir den unzähligen Berauschungsangeboten am besten mit Wissen und Risikokompetenz begegnen können:  «Jugendliche brauchen das Risiko. Es geht darum, zu verstehen, was mit einem geschieht. Und darum, sich und die eigenen Grenzen besser kennenzulernen.»

***

Die Ausstellung → RAUSCH wird vom 26. Januar bis zum 13. August im Bernischen Historischen Museum gezeigt. Danach wird sie ab Oktober zu Gast in Basel sein. Weitere Stationen (auch in der Romandie) sind geplant.

RAUSCH wird durch den Tabakpräventionsfonds, das Bundesamt für Gesundheit sowie von Jugend und Medien finanziell unterstützt.

Bettina Bichsel ist Journalistin und Texterin. Sie schreibt und bloggt unter anderem für Jugend und Medien.