Fotos aus dem Kita-Alltag: Darauf sollten Eltern achten

Ich sitze im Büro. Mein Handy surrt, die Kita-App hat sich gemeldet: «Die Kinder der Gruppe Rot waren heute Vormittag auf dem Spielplatz. Sie hatten viel Spass im Sandkasten!» steht da, darunter drei Fotos von Kindern, die im Sand sitzen und Spielzeug in den Händen halten. Auf einem der Bilder ist auch mein Kind zu sehen.

Ich sitze im Büro. Mein Handy surrt, die Kita-App hat sich gemeldet: «Die Kinder der Gruppe Rot waren heute Vormittag auf dem Spielplatz. Sie hatten viel Spass im Sandkasten!» steht da, darunter drei Fotos von Kindern, die im Sand sitzen und Spielzeug in den Händen halten. Auf einem der Bilder ist auch mein Kind zu sehen.

Ich erkenne es allerdings nur an seiner Kleidung, denn das Foto wurde von oben aufgenommen. Das Gesicht ist unter dem Sonnenhut verborgen, in der Hand hält es eine gelbe Giesskanne. Die anderen Bilder zeigen lachende Kinder.

Auch ich finde die Vorstellung schön, einen Einblick in die Erlebnisse meines Kindes in der Kita zu bekommen.

Nina Hobi, Jugend und Medien

Fragen über Fragen

Ich erinnere mich gut an die Kita-Anmeldung unseres Kindes – und daran, dass wir als Eltern ziemlich überfordert waren mit all den Fragen, auf die wir da antworten sollten: Hat das Kind Allergien? Braucht es einen Nuggi? Wer sind die Notfall-Kontaktpersonen? Macht es noch Mittagsschlaf?

Und mittendrin mehrere Fragen zur Verwendung von Fotos: Dürfen Bilder von dem Kind auf den Social-Media-Accounts der Kita-Trägerschaft erscheinen? In Flyern und Broschüren? Darf es im Video für den Elternabend zu sehen sein? Auf Fotos, die in der Kita aufgehängt werden? Und was ist mit der App, über die wir Eltern Informationen aus der Kita erhalten? Darf das Kind auf den Bildern, die dort geteilt werden, erkennbar sein?

Ja, aber…

Ein Kreuzchen nach dem anderen setzten wir: Nein, keine Allergien, kein Nuggi. Fotos? Klar, kein Problem. Warum soll das Kind nicht zu sehen sein?

Das zumindest war unser erster spontaner Gedanke. Aber dann zögerten wir und kamen ins Nachdenken: Die Vorstellung, dass unser Kind in den Social-Media-Kanälen der Kita auftaucht, war uns dann doch zu viel. Und diese App, wie funktioniert die überhaupt?

Plötzlich wurde es also kompliziert. Vor allem auch, weil es nicht nur die Auswahl zwischen «ja» oder «nein» gab, sondern zusätzlich «mein Kind darf nicht erkennbar abgebildet sein». Was genau bedeutet «nicht erkennbar» in diesem Zusammenhang?

Ich habe einige Tage später die Kita-Leiterin danach gefragt, und sie hat mir erklärt, dass die Fotos dann von hinten oder von oben aufgenommen werden – also so, dass das Gesicht eines Kindes nicht zu sehen ist. Wie beim Foto meines Kindes im Sandkasten wissen die Eltern dann einfach aufgrund der Kleidung, dass es sich um ihren Nachwuchs handelt. Oder die Gspänli sagen beim gemeinsamen Anschauen der Fotos: «Das ist Mia. Und der dort mit dem Schüfeli ist Leo.»

Es geht um Daten- und Persönlichkeitsschutz

«Die Eltern finden es immer so schön, wenn sie Fotos aus dem Kita-Alltag erhalten», sagte mir die Kita-Leiterin noch. «Und mit der App geht das wirklich einfach.» Diesen praktischen Ansatz konnte ich natürlich verstehen. Und auch ich finde die Vorstellung schön, einen Einblick in die Erlebnisse meines Kindes in der Kita zu bekommen. Die Versuchung, einfach «ja» anzukreuzen und sich keine weiteren Gedanken zu machen, war gross. Und ich bin sicher, da geht es viele Eltern genauso.

Nur: Was genau erlaube ich, wenn ich da zustimme? Uns Eltern muss klar sein, dass uns all die Fragen rund um den Umgang mit Fotos in der Kita mitten ins Thema Daten- und Persönlichkeitsschutz katapultieren: Wo und wie werden die Fotos gespeichert? Wer hat Zugriff darauf und wer entscheidet, welche Bilder wofür verwendet werden? Wer kann sie sehen und wer kann sie wie weiterverwenden? Das sind Fragen, die sich vielleicht nicht alle Eltern stellen, wenn sie so einen Fragebogen ausfüllen. Gerade wenn es darum geht, wo und wie Fotos von Kindern online gezeigt werden sollen, sind sie jedoch entscheidend.

Unser Entscheid: Zurückhaltung

Nach meinem Gespräch mit der Kita-Leiterin haben wir uns für einen Mittelweg entschieden. An der Gruppenwand hängt nun ein Porträtfoto unseres Kindes. Die Verwendung der Bilder für Social Media oder die Materialien der Trägerschaft haben wir aber abgelehnt. Bei der App schliesslich war die Entscheidung nicht so einfach. Grundsätzlich habe ich Vertrauen in die Mitarbeitenden der Kita, und ausser ihnen haben nur die Eltern der anderen Kinder in der Gruppe Zugriff auf die Fotos. Aber als ich die App ausprobiert habe und mir klar wurde, dass ich die Bilder mit einem einzigen Klick auf mein Handy herunterladen und danach theoretisch beliebig weiterverbreiten kann, war klar, dass ich auch in diesem Kontext keine Fotos sehen möchte, auf denen mein Kind zu erkennen ist. Wer weiss, wo diese Bilder landen – dafür kann und will ich keine Verantwortung übernehmen.

Als Eltern müssen Sie für sich eine individuelle Entscheidung treffen.

Ein paar Gedankenanstösse des Teams von Jugend und Medien dazu

Das Beispiel zeigt, dass es keine einfache Antwort auf Fragen rund um den Umgang mit Fotos in Kitas und anderen Einrichtungen für Minderjährige gibt. Und auch kein Patentrezept. Als Eltern müssen Sie für sich eine individuelle Entscheidung treffen. Folgende Überlegungen können Ihnen eine Hilfestellung bieten:

  • Fotos und Videos, auf denen jemand zu erkennen ist (das heisst, es ist klar, wer es ist), gelten als Personendaten und müssen als solche behandelt – und geschützt! – werden. Das gilt unabhängig davon, ob ein Kind alleine oder in einer Gruppe abgebildet ist.
  • Für die Kita (und andere Einrichtungen) bedeutet das, dass sie solche Fotos nur mit der Einwilligung von Ihnen als Eltern veröffentlichen dürfen. Sie muss darüber informieren, wo genau die Fotos/Videos veröffentlicht werden sollen (Social Media, Webseite, Eltern-App, Infomaterial etc.). Für jeden einzelnen Verwendungszweck muss eine separate Einwilligung möglich sein. Ausserdem sollten Sie jeweils auch bestimmen können, dass Sie nur mit einer Veröffentlichung einverstanden sind, wenn Ihr Kind nicht erkennbar ist (wenn es z.B. von hinten fotografiert oder gefilmt wird).
  • Als Eltern sind Sie für den Persönlichkeitsschutz Ihres Kindes zuständig. Das gilt auch beim Recht am eigenen Bild, und zwar so lange, bis Ihr Kind urteilsfähig ist. Diese Urteilsfähigkeit ist nicht an ein bestimmtes Alter gekoppelt, beinhaltet aber, dass jemand einerseits freiwillig sowie vernunftgemäss entscheiden kann und andererseits die Tragweite einer Fotoveröffentlichung wirklich begreift. Ein Kita-Kind vermag vielleicht für sich zu entscheiden, ob es fotografiert werden möchte und ob es okay ist, das Foto dann auch Oma und Opa zu zeigen. Dass es schon versteht, was es bedeutet, wenn ein Foto von ihm auf dem Instagram-Account der Kita veröffentlicht wird oder in der App für alle anderen Eltern sichtbar ist, ist unwahrscheinlich.
  • Behalten Sie immer im Hinterkopf: Das Internet vergisst nie. Natürlich freuen wir uns über tolle Schnappschüsse unserer Kleinen. Aber vielleicht finden die es plötzlich nicht mehr so lustig, alte Sandkastenfotos im Netz zu finden, wenn sie älter sind. Lesen Sie dazu auch unseren früheren Beitrag → «Den digitalen Fussabdruck unserer Kinder sorgfältig gestalten» – mit Hinweisen der Kinderanwältin Rita Jedelhauser.
  • Seien Sie sich bewusst, dass Fotos, selbst wenn sie ursprünglich nur für einen kleinen Kreis von Leuten (wie bei einer Kita-App) gedacht waren, zweckentfremdet werden können. Jedes Foto kann heruntergeladen und weiterverbreitet oder bearbeitet und in einen ganz anderen Kontext gestellt werden. Diesen Aspekt werden wir demnächst in einem separaten Beitrag rund um das Thema Cyber-Sexualdelikte aufgreifen.


***

Weitere Informationen und Tipps haben wir in unserem früheren Projekt → Insta4Emma zusammengetragen. Zudem informiert der Eidgenössische Datenschutzbeauftragte über → Rechte rund um Fotos, die von einem gemacht werden.

Nina Hobi ist Projektleiterin bei Jugend und Medien und Mutter von zwei Kindern. Die Idee für diesen Text und der Erfahrungsbericht im ersten Teil stammen von ihr.