Ein kleiner Junge schaut sich etwas auf dem Tablet an. Auf dem Tablet ist ein animiertes Schwein zu sehen.

Kinder und Medien: Wie früh ist zu früh?

Es ist heute kein seltener Anblick mehr: Kleine Kinder, etwa im Kinderwagen, die mit einem Handy oder einem Tablett beschäftigt sind. Sind digitale Medien eine Entlastung für die Eltern oder eine Gefahr für die Kleinen?

Es ist heute kein seltener Anblick mehr: Kleine Kinder, etwa im Kinderwagen, die mit einem Handy oder einem Tablett beschäftigt sind. Sind digitale Medien eine Entlastung für die Eltern oder eine Gefahr für die Kleinen?

Fakt ist, es gibt viele Unsicherheiten bei der Frage, welche Medien ab wann sinnvoll sind. Manche Eltern setzen den 1-jährigen Nachwuchs häufig vor den Fernseher, damit sie eine ruhige Minute haben. Klar, etwas Ruhe hört sich himmlisch an, aber sind in einem solchen Fall digitale Medien der richtige Weg? Andere Eltern wiederum verbieten ihren Kindern jegliche eigenen digitalen Medien bis zu einem bestimmten Alter – etwa bis zur Oberstufe –, um sie vor negativen Einflüssen zu schützen.

Selbstredend müssen heute nicht nur Eltern oder andere Erziehungsberechtigte Entscheidungen über das digitale Nutzungsverhalten ihrer Sprösslinge treffen. Mittlerweile ist das Thema auch in der frühen Schulbildung omnipräsent.
 

Was wird Eltern empfohlen?

Corinne Reber arbeitet an der BFF Bern und publiziert nebst anderem zum Thema digitale Medien in der frühen Schulbildung. Sie erläutert die grösste Gefahr im Umgang mit digitalen Medien im Kindesalter: «Die Gefahr ist, dass Kinder keinen anderen Bezug zu digitalen Medien haben, als dass diese für den Konsum genutzt werden.» Die Dozentin für Medienpädagogik empfiehlt Eltern deshalb, ihren Kindern zu zeigen, dass «digitale Medien nicht nur etwas zum Konsumieren sind, sondern auch etwas, womit man gestalten, kommunizieren, lernen kann». Generell empfiehlt sie, Kinder in den ersten beiden Lebensjahren nicht mit digitalen Medien in Kontakt zu bringen, weil die Geräusche, das Licht und die Farben auf Bildschirmen überfordernd sein können.

Sowohl Corinne Reber als auch Monika Luginbühl, Dozentin für Sozial- und Medienpädagogik an der BFF Bern, sehen aber nicht nur die Eltern, sondern auch Lehrpersonen und staatliche Behörden beim Thema digitale Medien im frühen Kindesalter in der Pflicht.

Was können Fachpersonen lernen?

Es gibt viele Ansatzpunkte für Fachpersonen. Einen, den Corinne Reber besonders hervorhebt, ist die Ausbildung. Sie erklärt, dass das Thema zwar teilweise schon in die Aus- und Weiterbildungsangebote aufgenommen wurde, stellt aber nach wie vor ein enormes Potenzial fest.

Zudem empfiehlt sie, digitale Medien nicht als Ersatz der realen Umwelt zu sehen und einzusetzen, sondern als Ergänzung. So kann man beispielsweise digitale Mikroskope nutzen, um Kindern ihre Umwelt einmal aus einer ganz anderen Perspektive zu zeigen.

Kinder müssen im Umgang mit digitalen Medien begleitet werden, und nicht in erster Linie von ihnen ferngehalten werden.

Corinne Reber, Dozentin für Medienpädagogik, BFF Bern

Aber… wieso?

Dass Eltern ihren Kindern den gesunden und förderlichen Umgang mit digitalen Medien zeigen sollten, ist einleuchtend. Aber Erzieher*Innen und andere Fachpersonen? Wieso auch Sie?

Nun, die andauernde Digitalisierung bietet eben nicht nur eine Vielzahl von Risiken, sondern mindestens ebenso viele Chancen. Nur sind diese Chancen nicht gleich verteilt, sondern hängen bis zu einem gewissen Grad von Faktoren wie der Herkunft, der Bildung oder dem sozioökonomischen Status der Eltern ab. Deshalb haben nicht alle den gleichen Zugang zu digitalen Medien. Und nicht alle Eltern haben die Möglichkeit, ihre Kinder in diesem Bereich zu begleiten.

Es ist also auch die Aufgabe von Kitas, Kindergärten oder anderen vorschulischen Angeboten, diese Ungleichverteilung wettzumachen und allen einen verantwortungsvollen und kreativen Umgang mit digitalen Medien zu ermöglichen.
 

Was kann ich tun?

Ob Fachperson oder Elternteil, da Kinder schon früh mit digitalen Medien in Berührung kommen, ist der Umgang mit ihnen von zentraler Bedeutung. Empfohlen wird eine begleitete Nutzung von digitalen Medien ab dem 2. Geburtstag. Die Begleitung umfasst im Idealfall vier Förderbereiche:

  1. Erfahrungen und praktische Kenntnisse im Umgang mit Medien sukzessive erweitern.
  2. Ein Verständnis und Fähigkeiten für digitale Medien entwickeln und sie für eigene Angelegenheiten nutzen.
  3. Den eigenen Medienumgang bewusst wahrnehmen und reflektieren.
  4. Das Wesen und die Funktion der digitalen Medien durchschauen

Stolperstein Mediensucht

Was oft vergessen geht: Ein ungünstiger Umgang mit digitalen Medien und übermässiger Medienkonsum sind oft zwei Seiten derselben Medaille. Monika Luginbühl sieht das Problem hierbei nicht darin, dass die Thematik nicht ernst genommen würde, sondern dass die meisten schlicht und einfach zu wenig darüber wissen.

Es wird schnell gesagt, dass jemand halt handysüchtig ist – ohne vertiefte Erkenntnisse darüber, was das genau bedeutet.

Monika Luginbühl, Dozentin für Sozial- und Medienpädagogik, BFF Bern

Diese Wissenslücke auszuradieren, ist ein grosses Anliegen der Medienpädagogik. Monika Luginbühl führt dazu aus, dass auch bei diesem Thema, analog zum allgemeinen Umgang mit Medien, nicht nur die Eltern in der Pflicht stehen, sondern auch hier wieder Fachpersonen und staatliche Behörden ihren Teil beitragen müssen.

Also?

Der richtige Umgang mit digitalen Medien, gerade im frühen Kindesalter, ist wegweisend für den zukünftigen Mediengebrauch der Heranwachsenden. Es gibt Chancen, wie etwa ein umfassenderes Erkunden der Umwelt, eine nie dagewesene Vielzahl an Möglichkeiten, kreativ zu werden, oder eine Fülle an Kommunikationsmöglichkeiten, die alles Bisherige übersteigt. Diese Chancen dürfen aber nicht die Risiken vergessen lassen. Und die treten besonders dann auf, wenn ein Kind nicht von klein auf einen verantwortungsbewussten Umgang mit digitalen Medien lernt. Auf diesem Weg braucht es die Begleitung der Eltern und der Fachpersonen, aber auch geeignete Rahmenbedingungen und Unterstützung durch andere Stellen.

Ich habe das Gefühl, dass wir noch ziemlich am Anfang stehen beim Thema junge Kinder und digitale Medien […]. Aber ich bin optimistisch.

Corinne Reber

Thomas Stucki studiert Jura an der Universität Bern und engagiert sich darüber hinaus in verschiedenen Jugendparlamenten. Er hat am Forum Jugend und Medien 2023 teilgenommen und im Auftrag der Nationalen Plattform Jugend und Medien diesen Text für den Blog verfasst.