Die Frage, inwiefern Social Media süchtig machen können, ist nicht neu. Und wissenschaftlich gibt es darauf keine klare Antwort. Laut Anne-Linda Camerini, die im Bereich Kommunikationswissenschaften an der Universität Lugano forscht und unterrichtet, hängt dies nicht zuletzt damit zusammen, dass «theoretisch fundierte, methodisch valide und durch Peer-Review-Verfahren unabhängig bewertete Studien» zeitlich aufwendig sind. Wie sie in einem → Beitrag von SMC, dem deutschen Science Media Center, sagt, hinke die Forschung deswegen gerade im Bereich der sozialen Medien chronisch hinterher.
Zugleich weist Anne-Linda Camerini auf allgemeine Erkenntnisse der Suchtforschung hin, die zeigen, dass «Kinder und Jugendliche erhöhte Risikogruppen sind, da bei ihnen der Bereich im Gehirn, der für die Selbstkontrolle zuständig ist, der präfrontale Cortex, noch nicht vollständig ausgebildet ist.»
Das Belohnungssystem von TikTok Lite vergleicht sie mit anderen Strategien insbesondere aus dem Gaming-Bereich, die zum Ziel haben, Spieler*innen zum Weitermachen zu animieren. Es geht um Anreize, Challenges, Gewinnversprechen, die ganz spielerisch daherkommen, darum spricht man auch von Gamification-Elementen. Das Sammeln von Credits (wie die Münzen bei TikTok Lite), mit denen dann eben etwas erworben werden kann, ist weit verbreitet. Im Gegensatz zu sozialen Medien ist Gaming als Suchtfaktor offiziell anerkannt. Computerspielsucht wird seit 2022 von der Weltgesundheitsorganisation als Krankheit im ICD-11-Katalog aufgeführt.