Schüler und Schülerinnen benützen das Handy im Unterricht.

Wie Lehrkräfte fit für den digitalen Bildungsalltag werden

Die Digitalisierung hat unser Leben verändert, in allen Bereichen. Die Schule ist davon nicht ausgenommen. Die Frage, wie sich digitale Medien sinnvoll im Bildungsalltag einsetzen lassen, bleibt spannend.

Die Digitalisierung hat unser Leben verändert, in allen Bereichen. Die Schule ist davon nicht ausgenommen. Die Frage, wie sich digitale Medien sinnvoll im Bildungsalltag einsetzen lassen, bleibt spannend.

Eine der wesentlichen Aufgaben der Schule ist es, Kinder und Jugendliche für die gesellschaftliche Teilhabe vorzubereiten. In einer digitalisierten Welt bedeutet dies auch, ihnen einen verantwortungsbewussten und kompetenten Umgang mit digitalen Medien zu vermitteln. So weit so gut. Aber was heisst das konkret? Was genau sollen die Heranwachsenden lernen und wie soll es ihnen beigebracht werden? Wie sehen sinnvolle pädagogisch-didaktische Lernsettings aus, welche Abwägungen sind dabei nötig und welche Risiken zu beachten?

Es braucht Zeit, um sich mit den Aspekten der digitalen Bildung auseinanderzusetzen und Sicherheit zu gewinnen.

Timon Rimensberger, Pädagogische Hochschule Freiburg

Neuerungen in der französischsprachigen Schweiz

In der Romandie wurde der Bereich Medien und Informatik im Lehrplan PER (plan d’études romand) überarbeitet. Die Umsetzung ist nun Sache der Kantone. Im Kanton Freiburg etwa sollen die Neuerungen auf Schuljahresbeginn 2023/24 progressiv eingeführt werden. Während es vom Kindergarten bis und mit der 4. Klasse hauptsächlich um die Frage geht, wie die Themen pädagogisch sinnvoll in den anderen Fächern integriert werden können, soll es ab der 5. Klasse bis und mit dem zweiten OS-Jahr (7H bis 10H) künftig ein «Education numérique»-Pflichtfach geben. (Bisher anhin waren Medienbildungsthemen als Teil der Allgemeine Bildung im Lehrplan PER verankert. Es gab jedoch kein spezifisches Fach, das heisst als Lehrkraft fand stets die Abwägung statt, ob, wann und wie überhaupt Medienbildung im Unterricht behandelt wird.)

Für die Lehrpersonen stellen sich aufgrund der neuen Regelung unterschiedliche Fragen. Es geht nicht nur um fachliches Wissen und technische Kompetenzen, sondern auch um die eigene Haltung in Bezug auf digitale Medien und deren Einsatz im Unterricht sowie um eigene Unsicherheiten und Ängste hinsichtlich medialer Risiken.

Unterstützung für die Lehrkräfte

Um die Schulen und Lehrkräfte in diesem Prozess zu unterstützen und sie auf ihre neuen Aufgaben vorzubereiten, hat die Pädagogische Hochschule Freiburg (PH FR) ein Weiterbildungsangebot lanciert. Der CAS Education Numérique richtet sich an Personen, die an ihren Schulen im Bereich Medien und Informatik mit Blick auf die Lehrplananpassung eine Ausbildungs- oder Mentoringrolle übernehmen. Sie sollen Ausbildner*innen sein für die einzelnen Lehrkräfte, Wegbereiter*innen für eine sinnvolle digitale Medienbildung und Ideenlieferant*innen für die konkrete pädagogisch-didaktische Umsetzung.

Die Weiterbildung beinhaltet fünf Aspekte bzw. Module: Medienbildung und -didaktik; Informatik und Informatikdidaktik; Lehren, Lernen und Bewerten mit digitaler Technik; meine Funktion als Erwachsenenausbildner*in und meine Rolle als Ansprechperson.

Eine erste Durchführung richtete sich an Primarschullehrkräfte. Laut Timon Rimensberger, der den CAS entwickelte, geht es zunächst darum, ein Grundlagenwissen zu vermitteln: «Was ist überhaupt Informatik? Wie funktionieren Medien und was bewirken sie? Wie verbreiten sich Fake News? Und inwiefern ist meine digitale Identität anders als meine analoge?»

Wichtig ist bei diesen Aspekten nicht zuletzt die Selbsterfahrung. In einer Arbeit untersuchten die Teilnehmenden beispielsweise, welche Spuren sie selbst im Netz hinterlassen, welches Bild sich daraus ergibt und wie die Datenflüsse zustande kommen. Eine andere Aufgabe bestand darin, eine eigene Gamification-Umsetzungsidee mit pädagogischem Ansatz zu entwickeln (Escape Game o.ä.).

Daneben beinhaltete der Lehrgang die Konzeptionierung von Weiterbildungen und das entsprechende Projektmanagement, aber auch rechtliche Aspekte wie die Datensicherheit im Schulkontext und das Vorgehen bei missbräuchlicher Mediennutzung (z. B. Cybermobbing).

Am Anfang steht immer die pädagogische Überlegung: Was will ich machen?

Timon Rimensberger, PH FR

Vorurteilen begegnen

Timon Rimensberger ist sich bewusst, dass es bei dem künftigen Einsatz der Ausbildner*innen insbesondere auch um Überzeugungsarbeit gehen wird: «Natürlich gibt es Ängste, Unsicherheiten und Vorurteile. Es braucht Zeit, um sich mit den Aspekten der digitalen Bildung auseinanderzusetzen und Sicherheit zu gewinnen, um entscheiden zu können, welche Lernaktivitäten sich für einen Einsatz digitaler Medien eignen, um neue, sinnvolle Kompetenzen zu erwerben. Erst dann kann ein Tool anhand der erwünschten Funktionen ausgewählt werden.»

Nicht zuletzt bestünden auch seitens mancher Eltern Vorbehalte. Im Vordergrund stehe die Sorge, dass es angesichts des privaten Medienkonsums nicht auch noch zusätzliche Medienzeit in der Schule brauche. «Hier hilft es sicher zu zeigen, dass es in der Schule weniger darum geht, Medien zu konsumieren, sondern sie verantwortungsbewusst anzuwenden und Medien als Lerntool zu betrachten.»

Lehrkräfte finden sich in neuer Rolle wieder

Angesichts des Wissensvorsprungs, den einige Schüler*innen hinsichtlich neuer Technologien mitbringen, kann es auch durchaus zu veränderten Rollen und Settings kommen. Lehrkräfte müssen nicht mehr in erster Linie Wissensvermittler*in sein, sondern in einer Rolle als Coach und Mentor*in den Lernprozess begleiten. Hinzu kommt, dass das Lehren über digitale Medien nicht automatisch einen Unterricht mit digitalen Geräten bedeutet. Wenn ein Kind einen Roboter spielt, das von einem anderen Kind Anweisungen erhält, dann lernen sie auf spielerische Weise, wie ein einfacher Algorithmus funktioniert.

Beim Lehren mit digitalen Medien muss man gut überlegen, wann, warum und wie Medien eingesetzt werden. «Am Anfang steht immer die pädagogische Überlegung: Was will ich machen?», so Timon Rimensberger. «Erst dann kann ich entscheiden, ob ich es digital oder analog vermitteln möchte. Der Zeitgewinn allein reicht nicht immer. Doch es muss auch nicht jedes Mal unbedingt einen klaren pädagogischen Mehrwert aufweisen. Das kann das Lehrmittel oder die Wandtafel auch nicht immer, da die Qualität des Unterrichts stark von der Lehrperson und ihre didaktische Kompetenzen abhängig ist.»

Qualitative Studien zu Best Practice wären hilfreich

Inwiefern sich der schulische Alltag durch die weitere Digitalisierung und Technologisierung noch verändern wird, ist schwer abschätzbar. Im Vordergrund steht nicht die möglichst rasche Reaktion auf neue Entwicklungen, sondern die Überlegung, wie der Bildungsauftrag bestmöglich umgesetzt werden kann. Gesellschaftliche, pädagogische, institutionelle und nicht zuletzt wirtschaftliche Faktoren beeinflussen den Reflexions- und Entscheidungsprozess.

Hilfreich wären laut Timon Rimensberger zudem mehr qualitative wissenschaftliche Ergebnisse zu den bisherigen Erfahrungen digitaler Bildungsarbeit – gerade von Schulen, die Erfolge erzielen. Denn, so sein Fazit: «Bisher gibt es eigentlich noch mehr Fragen als Antworten. Wenn es Antworten gibt, sind diese oft quantitativ und geben keine Auskunft auf die Frage ‚Warum ist es in diesem Fall erfolgreich und in einem anderen Fall kontraproduktiv?‘»

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Weitere Informationen und Hilfestellungen zum Thema finden Sie in unserer Rubrik «Lehrpersonen & Schule»

Bettina Bichsel ist Journalistin und Texterin. Sie schreibt und bloggt unter anderem für Jugend und Medien.