Ein Laptop auf dem Informationen zu einem Film angezeigt werden.

Wieso Altersfreigaben wichtig sind

Ist mein Kind wirklich schon alt genug dafür? Wie oft haben Sie sich das als Eltern schon gefragt, wenn es darum ging, einen Film zu schauen oder ein Game zu spielen? Ja, es gibt Altersfreigaben. Aber wer entscheidet darüber und was sagen sie aus?

Ist mein Kind wirklich schon alt genug dafür? Wie oft haben Sie sich das als Eltern schon gefragt, wenn es darum ging, einen Film zu schauen oder ein Game zu spielen? Ja, es gibt Altersfreigaben bei Kinofilmen, DVDs, Blu-Rays oder Videospielen. Aber wer entscheidet darüber und was sagen sie überhaupt aus? Und wie sieht es bei anderen Medien aus, zum Beispiel beim Fernsehen, bei Streaming-Diensten, YouTube oder TikTok?

Das Wichtigste vorweg: Egal bei welchem Medium, Altersempfehlungen oder -freigaben können immer nur einen Anhaltspunkt liefern.  Denn Kinder sind in ihrer Persönlichkeit, ihrer Entwicklung, ihrer Sensibilität und ihrem Empfinden sehr individuell. Nur weil zwei Kinder gleich alt sind, heisst das nicht, dass sie gleich reagieren, wenn sie einen Film sehen oder ein Game spielen.

Der zweite Punkt: Altersfreigaben fokussieren auf den Schutz des Kindes vor ungeeigneten Inhalten, sind aber keine pädagogischen Beurteilungen. Sie sagen also nichts darüber aus, ab wann ein Kind einen Film verstehen und Freude am Zuschauen haben könnte. Solche Empfehlungen gibt es auch, aber dazu später. Schauen wir uns zunächst an, wie Altersfreigaben zustande kommen.

Filme: Empfehlungen der Jugendschutz-Kommission

Bevor ein Film in die Schweizer Kinos kommt, begutachtet die Schweizerische Kommission Jugendschutz im Film das vom Verleiher vorgeschlagene Zutrittsalter. Haben Kommissionsmitglieder Bedenken, dass das Alter zu tief angesetzt sein könnte, schaut sich ein Gremium den Film an und gibt, sollte es mit dem angegebenen Zutrittsalter tatsächlich nicht einverstanden sein, eine andere Altersempfehlung ab.

Gleichzeitig bestimmt die Kommission auch ein „empfohlenes Alter“. Dabei orientiert sie sich nach eigenen Angaben an der «Komplexität der Handlung sowie den Erfahrungen und Kenntnissen, über die ein Zuschauer verfügen muss, um das Thema des Films und seine filmische Umsetzung verstehen zu können». Ein Film kann nämlich vom Gezeigten her sehr harmlos sein (keine Gewalt- oder Sexszenen), aber ein Thema behandeln, das für Kinder viel zu komplex ist. Entsprechend würde er mit einem tiefen Zutrittsalter, aber einem höheren „empfohlenes Alter“ gekennzeichnet.

In der Datenbank filmrating.ch veröffentlicht die Kommission dann die jeweiligen Filme mit zwei Altersangaben: Dem eigentlichen Zutrittsalter und dem empfohlenen Alter in Klammern. Hinzu kommt eine Begründung für die Einstufung. Bei dem Disney-Film «Aladdin» aus dem Jahr 2019 bedeutet dies beispielsweise, dass das Zutrittsalter bei 6 Jahren liegt, das empfohlene Alter bei 10 Jahren. Die Begründung: «Die Länge des Films, das sehr schnelle Tempo und einige beeindruckende und manchmal dunkle Szenen werden für sensible Kinder und die Kleinsten nicht geeignet sein. Dennoch bleibt der Film mit seiner Schönheit, seiner Musik, seinem Anteil an Magie und Geheimnis eine Märchenerzählung, auch wenn Gut und Böse in mehreren Szenen aufeinandertreffen. Hervorzuheben ist auch eine starke und zentrale weibliche Figur.»

Die Kommission ist für die deutsch- und französischsprachige Schweiz zuständig. Im Tessin gibt es eine eigene Behörde, die entsprechende Empfehlungen abgibt und in einer Datenbank veröffentlicht.

DVDs/Blue-Rays: FSK- und SVV-Label

Trotz Netflix & Co. sind DVDs und Blu-Rays nach wie vor beliebt. Jedes Jahr kommen Tausende neuer Filmträger auf den Markt. Praktisch sind sie vor allem deshalb, weil man damit – im Gegensatz zum Kinobesuch – einen Film in Teilstücke aufteilen kann und nicht zwingend als Ganzes schauen muss. Das kann insbesondere für jüngere Kinder sinnvoll sein.

Ein Verhaltenskodex (Code of Conduct) verpflichtet Anbieter und Detailhändler, sämtliche Produkte mit Altersfreigaben zu versehen, die sich auf anerkannte Systeme stützen. Deutschsprachige DVDs/Blu-Rays werden üblicherweise aus Deutschland importiert und durchlaufen dort den Altersfreigabeprozess der FSK (Freiwillige Selbstkontrolle der deutschen Filmwirtschaft). Rund 250 ehrenamtliche Prüfer*innen mit unterschiedlicher Fachexpertise (Pädagogik, Film- und Medienwissenschaft, Journalismus, Recht etc.) bewerten in kleinen Gruppen die jeweiligen Filme und stufen sie in eine der fünf FSK-Altersklassen ein (ab 0, 6, 12, 16 oder 18 Jahren), die dann auch auf die Filmträger aufgedruckt sind. Bei Filmen aus dem französisch- und italienischsprachigen Raum ist es der Schweizerische Videoverband SVV, der eine Alterseinstufung vornimmt.

Auch hier gibt die Schweizerische Kommission Jugendschutz im Film in ihrer Datenbank Auskunft über die jeweiligen Filme und Altersfreigaben.

Games: Europaweites PEGI-System

PEGI ist die Abkürzung für ‚Pan European Game Information‘ (Europaweite Spielinformation) und steht für ein System, das Konsolen- und PC-Spiele nach altersgerechten Kriterien bewertet. Neben der Altersfreigabe (3, 7, 12, 16 oder 18 Jahre) sind die Spiele auch mit Symbolen (sogenannten Inhaltsdeskriptoren) versehen, die über kritische Inhalte Auskunft geben:

  • Gewalt: PEGI-7-Spiele mit diesem Symbol enthalten Gewaltdarstellungen, die nicht realistisch oder nicht detailliert sind. In PEGI-12-Spielen ist beispielsweise Gewalt im Fantasy-Kontext erlaubt. Bei den höheren Altersklassen sind Gewaltinhalte zunehmend realitätsnah.
  • Vulgärsprache/Schimpfwörter: Die Altersfreigabe ab 12 lässt milde Schimpfwörter zu. Spiele ab 16 oder 18 Jahren können eine härtere Sprache oder beispielsweise Schimpfwörter mit sexuellem Bezug beinhalten. 
  • Angst: Darstellungen oder Geräusche, die unter Umständen beängstigend sind, können in Spielen ab 7 Jahren vorkommen. Bei einer Alterseinstufung ab 12 Jahren sind leichte Horroreffekte möglich. Ab 16 Jahren können diese Effekte stärker sein, oder andere verstörende Inhalte tauchen auf.
  • Glücksspiel: Manche Spiele (ab PEGI-12) enthalten Glücksspiele (angelehnt an Casinos oder Spielhallen).
  • Sex: Sexuelle Posen oder Anspielungen sind in Spielen mit einer Freigabe ab 12 Jahren möglich. PEGI-16-Spiele mit diesem Symbol weisen auf Nacktheit oder Geschlechtsverkehr hin, ohne dass Genitalien sichtbar dargestellt werden. Bei Spielen ab 18 Jahren mit dieser Kennzeichnung sind sexuelle Handlungen explizit.
  • Drogen: Werden im Spielkontext illegale Drogen, Alkohol oder Tabak thematisiert, sind die Spiele erst ab 16 oder 18 Jahren erlaubt.
  • Diskriminierung: Diskriminierend sind Darstellungen, die ethnische, religiöse, nationalistische oder andere Stereotype fördern und zu Hass führen können. Solche Spiele sind ab 18 Jahren freigegeben, können aber – je nach Land – auch gegen strafrechtliche Vorgaben verstossen.
  • Käufe im Spiel: Das Symbol weist darauf hin, dass im Verlauf des Spiels zusätzliche Inhalte beworben werden, für die echtes Geld verlangt wird. Das können etwa Bonuselemente, Upgrades (z. B. zur Deaktivierung von Werbung), virtuelle Spielwährungen oder sogenannte Lootboxen (Beutekisten) sein.

Auskunft über die Bewertung von Spielen und Apps gibt die PEGI-App:

TV, Netflix, TikTok & Co.: Hier wird es komplizierter

Bei Fernsehprogrammen, Streamingdiensten oder Videoportalen gibt es keine einheitlichen Regelungen. Das Schweizer Radio und Fernsehen SRF beispielsweise achtet darauf, dass zwischen 6 und 20 Uhr Inhalte laufen, «die auch für Kinder unter 12 Jahren unbedenklich sind». Zwischen 20 und 22 Uhr wird bei Filmen und Sendungen mit einer Altersfreigabe ab 14 Jahren darauf hingewiesen: einerseits in Schrift und Ton, andererseits mit einem roten Balken (Logo Rouge). Allerdings können gerade auch Informationssendungen wie die Tagesschau verstörende und beängstigende Bilder enthalten.

Streaming-Portale verfügen über Kinder- und Jugendschutzeinstellungen. Dazu muss man sich mit den Einstellungen vertraut machen, beispielsweise ein eigenes Kinderkonto anlegen und eine passwortgestützte Kindersicherung anlegen. Ältere, technisch versierte Kinder können diese Zugangsbeschränkungen allerdings relativ leicht umgehen. Zudem wird die Altersfreigabe bei Eigenproduktionen, etwa bei Netflix, von den Anbietern selbst festgelegt. Es empfiehlt sich also auf jeden Fall, genauer hinzuschauen.

Videodienste wie YouTube oder TikTok sehen zwar ein Mindestalter von 16 Jahren bzw. 13 Jahren für Nutzer*innen vor und verlangen zum Teil für unter 18-Jährige das Einverständnis der Eltern. Aber wer prüft schon, ob das richtige Alter angegeben wird? Zudem gibt es kein wirkliches Kontroll- oder Filtersystem in Bezug auf die hochgeladenen Videos. Das Risiko, dass Kinder mit nicht altersgerechten Inhalten konfrontiert werden, ist entsprechend hoch.

Allgemeine Tipps

  • Für Filme, TV-Programme und Games gibt es Portale mit Empfehlungen und/oder pädagogischen Beurteilungen. Dazu gehören:
    • Flimmo: Elternratgeber für TV, Streaming und YouTube
    • KinderFilmWelt: Informationen und Filmkritiken für Kinder
    • spielbar.de: medienpädagogisches Online-Portal für Eltern und Lehrkräfte
    • Spieleratgeber NRW: pädagogische Informationsplattform zu Computer-, Konsolenspielen und Apps unter Einbezug von Kindern und Jugendlichen
  • Richten Sie bei Online-TV- und Streaming-Portalen sowie bei Spielkonsolen Kindersicherungen ein. Anleitungen zu einigen Diensten finden Sie hier: 
  • Nehmen Sie sich die Zeit und verschaffen Sie sich einen eigenen Eindruck über ein Game. Alternativ können Sie auch bei sogenannten ‚Let’s play‘-Videos auf YouTube jemandem zuschauen, der*die das Spiel demonstriert. Spielen Sie dann gemeinsam mit Ihrem Kind. So können Sie sehen, wie es reagiert, und mit ihm ins Gespräch kommen.
  • Überhaupt ist es wichtig, über Medienerlebnisse und Gesehenes zu reden. Fragen Sie Ihr Kind: Hat dir der Film/das Spiel gefallen? Warum oder warum nicht? Was ist beim Schauen/Spielen in dir vorgegangen?
  • Nehmen Sie Ängste ernst. Fragen Sie nach und vermitteln Sie Ihrem Kind Sicherheit.

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Hinweis: Ein neues Bundesgesetz über den Jugendschutz in den Bereichen Film und Videospiele soll Kinos, Detailhändler, Online-Versandhändler und Abrufdienste künftig zu Alterskennzeichnungen und -kontrollen verpflichten. Zudem werden auch Plattformdienste für Videos oder Videospiele (z. B. YouTube, Twitch) in die Pflicht genommen. Das Gesetz wird derzeit im Parlament beraten.

Bettina Bichsel ist Journalistin und Texterin. Sie schreibt und bloggt unter anderem für Jugend und Medien.