Medienkompetenz: Stolpersteine und Tipps

| Bettina Bichsel

Wir beleuchten hier in eigentlich jedem Beitrag das Thema Medienkompetenz. Immer wieder aus neuen Perspektiven. Nur über das Wort selbst haben wir noch nichts geschrieben. Das holen wir nun nach.

Ja, was bedeutet es denn eigentlich, medienkompetent zu sein? Woran erkennen wir, dass jemand über Medienkompetenz verfügt, jemand anderes hingegen nicht? Wieso ist Medienkompetenz überhaupt so wichtig? Und wie können wir Kinder und Jugendliche dabei unterstützen, kompetent mit digitalen Medien umzugehen?

Um die Medienkompetenz von Menschen in der Schweiz scheint es schlecht bestellt.

Studie: Schweiz steht schlecht da

Es ist noch gar nicht lange her, da ging ein Raunen durch einige Schweizer Medien: Eine repräsentative → Pilotstudie kam nämlich zum Schluss, dass es um die Medienkompetenz der (deutsch- und französischsprachigen) Menschen in der Schweiz gar nicht gut bestellt ist. Als «ernüchternd» bezeichneten die Autoren die Ergebnisse, denn im Durchschnitt schafften die Befragten nur knapp 6 von insgesamt 19 möglichen Punkten. Der Auswertung zugrunde liegen Testergebnisse von rund 2600 Personen ab 18 Jahren.

Aber was genau wurde untersucht und warum schnitten die Testpersonen so schlecht ab?

Zunächst ein kurzer Einschub: Wenn von Medienkompetenz die Rede ist, sind mitunter verschiedene Aspekte gemeint. Eine einheitliche Definition gibt es nicht. Jugend und Medien stützt sich – insbesondere im pädagogischen Bereich – in der Regel auf das Modell des sogenannten Dagstuhl-Dreiecks (bzw. die Weiterentwicklung zum Frankfurt-Dreieck), in dem ein einzelner medialer Aspekt (soziale Medien, Hate Speech, Games, Nachrichten, Selbstdarstellung etc.) aus jeweils drei Perspektiven betrachtet wird:

  1. Technologische Perspektive: Wie funktioniert das?
  2. Gesellschaftlich-kulturelle Perspektive: Wie wirkt das?
  3. Anwendungsbezogene Perspektive: Wie nutze ich das?


Die einfach wirkende Auflistung mag darüber hinwegtäuschen, wie komplex die damit verbundenen Reflexionen sind: Medienkompetenz umfasst natürlich einerseits die Frage, wie digitale Medien bedient werden können. Es geht andererseits aber auch um das Bewusstsein dafür, wie und zu welchen Zwecken digitale Medien, Tools und Apps eingesetzt werden, wie sie konzipiert sind, welche Interessen dahinter stehen, wer warum welches Medium nutzt, und was das wiederum für mich persönlich bedeutet. Es geht um Unterhaltung, Spiel und Spass, um Information, Kommunikation und Interaktion, aber auch um Sicherheit und Datenschutz, um Verantwortungsbewusstsein und das Wahrnehmen eigener Grenzen. Medienkompetenz bedeutet nicht zuletzt, einen kritischen Abstand zu wahren, mediale Inhalte zu hinterfragen und sich vor einem Zuviel zu schützen.

Empfehlungen rund um die vielfältigen Aspekte von Medienkompetenz haben wir auf unserer Webseite und in unseren kostenlosen → Flyern zusammengefasst.

Wo es in Sachen Medienkompetenz hapert

Aber zurück zur Studie. Der Test, der den Teilnehmenden vorgelegt wurde, sollte Aufschluss geben über folgende Fragen:

  • Finde ich mich angesichts der digitalen Informationsflut zurecht?
  • Schaffe ich es, Nachrichten in Bezug auf ihre Qualität zu beurteilen?
  • Erkenne ich Fake News bzw. kann ich Nachrichten auf ihren Wahrheitsgehalt hin prüfen und einordnen?
  • Bringe ich mich selbst reflektiert in den digitalen politischen Diskurs ein? Wie verhalte ich mich in sozialen Netzwerken?
  • Was weiss ich über die Struktur und Funktionsweise von Medien und der digitalen Öffentlichkeit?


Der Test ist inzwischen → online. Bevor Sie weiterlesen, können Sie ihn also ausfüllen und schauen, wo Sie selbst stehen.

In der Studie wurde Folgendes sehr deutlich:

Vielen Menschen fällt es schwer, Informationen, Meinungen und Werbeinhalte auseinanderzuhalten. Das heisst, sie können nicht genau einordnen, mit welcher Absicht etwas veröffentlicht wird. Auch Hinweise, die das verständlich machen sollen, helfen dabei oft nicht. Im Test wird beispielsweise ein Artikel von «20min.ch» über eine Biermarke gezeigt, der als Paid Post, also als bezahlter Beitrag, ausgewiesen ist. Nur 37% haben dies als Werbung erkannt, 51% hielten den Artikel für einen journalistischen Informationsbeitrag. Dasselbe gilt für Beiträge aus Zeitungen, die als Kommentare gekennzeichnet waren. Nur 30% der Teilnehmenden stuften diese wirklich als Meinung ein. Die meisten waren auch hier überzeugt, dass es sich um eine – neutrale – Information handelte.

Fake News werden oft nicht erkannt. Sogar dann nicht, wenn ein Falschnachrichten-Warnhinweis den Wahrheitsgehalt in Frage stellt, wie dies im Beispiel des fiktiven Nachrichtenportals «Politeia.org» im Online-Test der Fall war. Nicht einmal die Hälfte der Teilnehmenden beurteilten die Nachricht als falsch, wonach Bundesrat und Parlament beschlossen hätten, Bürgerinnen und Bürger könnten bei einer künftigen Finanzkrise enteignet werden. Die Studienautoren kommen allerdings in ihren Ausführungen nicht zum Schluss, dass die Teilnehmenden grundsätzlich Schwierigkeiten haben mit der Einschätzung, ob es sich um eine vertrauenswürdige Quelle handelt oder nicht. Vielmehr scheint es, als ob persönliche Überzeugungen und Ansichten die Urteilsfähigkeit schmälern. Oder anders gesagt: Wenn ich die Nachricht für wahr halte, dann halte ich auch die Quelle für glaubwürdig. (Dass die Studienergebnisse auch ein Misstrauen gegenüber Medien und Politik zu Tage fördern, ist allerdings ein anderes Thema.)

Die Auswertungen zeigen aber auch einen spannenden Zusammenhang: Wer Social-Media-Plattformen eine hohe Vertrauenswürdigkeit attestiert, schneidet im Gesamten in Sachen Medienkompetenz schlecht ab. Ich komme gleich darauf zurück, wenn es um Tipps für Eltern und andere Erwachsene geht, die Heranwachsende unterstützen möchten.

Positiv ist auf jeden Fall, dass die Studienautoren bei den jüngeren Teilnehmenden eine höhere Medienkompetenz feststellten als bei den älteren Befragten. Die Vermittlung von Medienkompetenz, wie sie heute in der Schule Pflicht ist, zeigt also womöglich Früchte. Das bedeutet aber nicht, dass sich Eltern zurücklehnen und alles den Lehrkräften überlassen können. Es zeigt sich immer wieder, dass das persönliche Umfeld gerade beim Umgang mit Informationen für Kinder und Jugendliche zentral ist. Zudem schauen sich Heranwachsende vieles bei ihren engsten Vertrauten ab.
 

Tipps für Eltern

Die der Studie zugrundeliegenden Fragen können auch Ihnen als Orientierung dienen. Darum fasse ich sie hier nochmals zusammen:
 

Wie finde ich mich angesichts der digitalen Informationsflut zurecht?

  • Wo informiert sich Ihr Kind über alles, was es wissen möchte?
  • Wie gehen Sie selbst vor, um Informationen zu filtern?
  • Welche Suchmaschinen nutzen Sie selbst? Kennen Sie Alternativen zu Google?
  • Tauschen Sie sich darüber aus, wie man mit Ergebnissen umgeht, die von Suchmaschinen angezeigt werden.


Weitere Informationen zum Thema finden Sie in unserer Rubrik → Recherchieren und Lernen.
 

Wie kann ich Nachrichten in Bezug auf ihre Qualität beurteilen? Und was weiss ich über die Funktionsweise von Medien und der digitalen Öffentlichkeit?

  • Sprechen Sie mit Ihrem Kind darüber, welche Informationskanäle es gibt und was sie unterscheidet.
  • Heranwachsende nutzen Social-Media-Plattformen wie TikTok, Instagram oder X gerne, um sich über Aktuelles zu informieren. Sprechen Sie darüber, was diese Plattformen von journalistischen Medien unterscheidet.
  • Schauen Sie sich verschiedene Medien an und sprechen Sie über die Unterschiede in der Berichterstattung.
  • Machen Sie Ihrem Kind bewusst, dass immer eine Absicht hinter einer Veröffentlichung steht, und helfen Sie ihm, diese zu erkennen. Ist es eine (neutrale) Information? Wird eine Meinung kundgetan, z.B. als Kommentar in einer Zeitung oder in einem Post auf X? Möchte jemand ein Produkt verkaufen, z.B. ein Influencer, der auf Instagram etwas bewirbt, oder ein Unternehmen, das für einen Zeitungsbeitrag bezahlt, der ähnlich aufgemacht ist wie ein normaler journalistischer Beitrag (Paid Post)?


Wieso gerade Kinder oft Schwierigkeiten haben, Werbung im Internet zu erkennen, erfahren Sie in unserem → Blogbeitrag.
 

Wie erkenne ich Fake News?

  • Wie geht Ihr Kind vor, um den Wahrheitsgehalt einer Nachricht zu überprüfen? Wie gehen Sie selbst vor?
  • Wie können Sie sicher sein, dass ein Foto echt ist? Oder dass ein Video nicht aus dem Zusammenhang gerissen ist?


Weitere Informationen zum Thema und hilfreiche Tools finden Sie in unserer Rubrik → Fake News & Manipulation.
 

Wie verhalte ich mich in sozialen Netzwerken?

  • Welche sozialen Netzwerke nutzt Ihr Kind?
  • Wie entscheidet es, welche Posts gelikt und geteilt werden?
  • Was macht Ihr Kind, wenn es etwas sieht, was seltsam oder nicht wahr ist, Angst macht oder sogar Hass schürt?


Weitere Informationen zum Thema finden Sie in unseren Rubriken → Kommunizieren sowie → Diskriminierung & Hass im Netz.

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Und natürlich bietet der Online-Test eine gute Ausgangslage, um sich über die einzelnen Themen auszutauschen. Die konkreten Beispiele machen alles anschaulicher und praxisnah. Falls Sie den Test bereits durchgeführt haben, müssen Sie das ja nicht verraten. So können Sie bei Ihren Kindern als Medienkompetenz-Instanz punkten.

Bettina Bichsel ist Journalistin und Texterin. Sie schreibt und bloggt unter anderem für Jugend und Medien.